Die zauberhafte Tierhandlung (05) - Lotte und der Phönix
»Schokoladenwindbeutel? Ein winziger Windbeutel? Vielleicht sogar ein Madeleine?«
Onkel Jack zuckte die Achseln. »Schokoladenbiskuitröllchen …«
Sofie verdrehte ihre Augen gen Himmel. Offenbar reichten Schokoladenbiskuitröllchen für die Sorte von emotionalem Trauma, das sie durchlitten hatte, nicht aus. »Ich brauche mindestens drei«, verkündete sie und musterte Onkel Jack mit einem Blick aus Stahl.
»Zwei!«, fuhr Danny sie an. »Es sind bloß sechs in der Packung.«
»Vielleicht will er ja gar keine!« Sofie nickte Lottes Vater huldvoll zu und humpelte dann bühnenreif zu ihm, um einen tieftraurigen Blick aus schokoladenbraunen Augen zu ihm aufzuheben. »Es ist offensichtlich, dass ich Schokolade brauche, hm? Viel mehr als du?«
Tom sah nachdenklich zu ihr hinunter. »Ich glaube, ich mag Schokolade ziemlich gern«, sagte er entschuldigend. »Du hast mir erzählt, dass Lotte dir zu viel davon gibt. Und ich habe ebenfalls einen turbulenten Nachmittag hinter mir, weißt du.«
Sofie guckte mürrisch und trottete zu Lotte weiter, um den traurigen Hundeblick an ihr auszuprobieren.
»Mmh, mmh. Ich brauche meine selbst. Du bekommst doch schon zwei! Sei nicht so verfressen, Sofie.« Lotte hob sie hoch und bekam die volle Ladung bebender Schnurrhaare und schmachtender Blicke ab. »Oh, na schön. Die Hälfte. Du kannst die Hälfte von meiner haben.«
Sofie schleckte ihr liebevoll über die Wange. »Du bist ein liebes Mädchen, Lotte, ma belle «, murmelte sie. Ihre Schnauze kitzelte Lotte am Ohr und brachte sie zum Lachen.
Sie setzten sich an den Küchentisch, um die Biskuitröllchen gemeinsam zu essen. Allen war etwas seltsam zumute, obwohl sie sich bemühten, sich wie eine Familie zu fühlen. Niemand sprach davon, wie es nun, da Lottes Vater zurück war, weitergehen sollte. Was sich dadurch alles ändern würde. Niemand schien den Wunsch danach zu verspüren.
In Wahrheit verspürte Lotte ihn schon, er war sogar ungeheuer groß, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie das Thema anschneiden sollte.
Onkel Jack stürzte sich stattdessen mit einer gewissen Erleichterung auf Horaz und dessen Verwandlung. Er hatte eine Untertasse mit Sonnenblumenkernen auf den Tisch gestellt, und Horaz hockte daneben und musterte sie abwägend.
»Es sind richtig schöne dicke«, redete Onkel Jack ihm gut zu.
Horaz pickte einen mit seinem Schnabel auf, ließ ihn dann aber wieder fallen.
»Wäre dir eine schöne saftige Maus etwa lieber?«, fragte Danny frech.
Horaz wandte sich ab und ignorierte ihn, doch als Danny begann, Buhuu-buhuu -Laute auszustoßen, funkelte er ihn über die Schulter hinweg böse an. »Kinder sollte man weder hören noch sehen. Insbesondere wenn sie nichts Intelligenteres zu sagen haben als das.«
Danny leckte sich bloß die Schokolade von den Fingern und lächelte selbstgefällig. Onkel Jack dagegen seufzte. »Danny hat gar nicht so unrecht. Äh. Hast du vor, das wieder zu tun, Horaz? Wir müssten uns vielleicht auf eine Regelung einigen. Wegen deiner, äh, Essgewohnheiten.«
»Dad meint, bitte friss nicht unser Inventar«, warf Danny ein, und Lotte verschluckte sich an einem Biskuitkrümel.
»Es war kaum mehr als ein Moment der Unachtsamkeit. Ein kleines Missgeschick«, brummte Horaz missmutig. »Ich habe dem Jungen dummerweise gestattet, mich durcheinanderzubringen. Nach dem Schock, der Toms Rückkehr für uns alle war …«
Lotte nickte. Das Auftauchen ihres Vaters hatte alle aus dem Gleichgewicht gebracht. Noch merkwürdiger war jedoch zu hören, wie Horaz ihn Tom nannte. Aber der Phönix hatte ihren Vater schon gekannt, ehe er überhaupt ihr Vater wurde, sagte sie sich.
»Du hast dich wirklich die ganze Zeit über nicht mehr verwandelt?« Tom legte die Stirn in Falten. »Wie lange war es?«, fragte er, und seine Stimme klang plötzlich sehr niedergeschlagen. »Wie lange bin ich fort gewesen?«
»Acht Jahre«, flüsterte Lotte.
Tom wurde bleich unter seiner sonnengebräunten Haut und wiederholte kaum hörbar: »Acht? Das kann nicht sein.« Er hielt den Blick auf die Tischplatte gesenkt und seufzte. »Wem will ich eigentlich etwas vormachen? Natürlich kann es sein. Aber mir kommt es nicht so lang vor. Wie kann das sein, wo ich mich doch an nichts erinnere?«, sagte er flehend zu ihnen.
»Woran erinnerst du dich denn?«, fragte Lotte ihn schüchtern.
Ihr Vater schüttelte den Kopf. »An fast nichts. An den weiten Weg zurück, das ist alles. Wie ich gereist bin. Auf Schiffen und Frachtern. In
Weitere Kostenlose Bücher