Die zauberhafte Tierhandlung Bd. 4 - Lotte und das Kaninchen-Wunder
einmal versuchen, sie zu rufen. Und ich werde betteln, Sep. Danke.«
Zurück in ihrem Zimmer blickte Lotte aus dem Fenster. Die Tierhandlung Grace befand sich in einem hohen, schmalen Haus, und Lotte konnte über die Dächer von Netherbridge gucken, bis hin zum Netherbridge Hügel. Sie erschauerte. Hoffentlich war Sofie nicht da oben. Lottes Blick wanderte zu den Sternen, die so hell strahlten, als handle es sich bei ihnen um Weihnachtsbeleuchtung, und sie dachte an Sofie.
Bitte, bitte, bitte, flehte sie. Es tut mir leid, Sofie. Ich hätte netter zu dir sein sollen. Ich habe mir Sorgen um das Kaninchen gemacht und nicht damit gerechnet, dass dich das so treffen würde. Dafür gibt es ganz ehrlich keinen Grund. Ich liebe dich. Du bist so etwas Besonderes. Das weißt du doch, das musst du einfach. Bitte, Sofie, komm zurück …
Lotte schaute voller Hoffnung zu den Sternen hinauf und wartete. Doch sie funkelten nur kalt, und Lotte hörte keine Stimme in ihrem Geist, die ihr antwortete. Sofie war nicht da.
Seit Sofie und sie ihre magische Verbindung entdeckt hatten, hatte Lotte keine Nacht mehr ohne Sofie verbracht. Die Hündin lag stets zusammengerollt am Fußende von Lottes Bett oder manchmal auch unter ihrer Bettdecke, wenn die Nächte kalt waren. Sofie liebte es, ihren Kopf direkt neben Lottes auf das Kissen zu legen. Lotte hätte nie gedacht, dass sie es einmal vermissen würde, wie ihr Sofies lange Ohren ins Gesicht klatschten.
Als sie am nächsten Morgen aufstand, war sie unglücklich und einsam, und das Gefühl ließ nicht einmal nach, als sie Ruby traf, um mit ihr zusammen zur Schule zu gehen.
»Du siehst schrecklich aus, was ist denn los?«, verlangte Ruby zu wissen, kaum dass sie einen Blick auf ihre beste Freundin geworfen hatte.
Lotte machte sich nicht die Mühe, es abzustreiten. Sie erklärte, was passiert war, und Ruby sah sie bestürzt an.
»Oh, nein, Lotte! Du hast keine Ahnung, wo sie ist?«
»Ich kann sie rein gar nicht spüren. Können wir bitte eine Weile nicht mehr darüber reden? Das wäre mir lieber.« Lotte war auf dem Weg zur Schule extrem einsilbig, doch gleichzeitig störte es sie, als Ruby im Gegenzug ebenfalls schwieg. Sie hatte Ruby zwar eröffnet, sie wolle nicht über Sofie reden, aber dass diese erschüttert ihrem Wunsch entsprach, machte alles nur noch schlimmer.
Mrs Laurence hatte beschlossen, sie an diesem Vormittag Grundrisse ihrer Häuser zeichnen zu lassen, was gut war, weil Lotte dabei nicht viel denken musste oder gezwungen war, mit den anderen zu reden. Aber es bedeutete auch, dass ihr genügend Zeit blieb, in Selbstmitleid zu baden.
Dad ist verschwunden. Wer weiß schon, wo er ist oder ob er wirklich zurückkommt, dachte sie traurig bei sich. Mum ist lieber in einem fremden Land als bei mir. Onkel Jack hat mich nur aufgenommen, weil ihm keine andere Wahl blieb. Und jetzt habe ich sogar Sofie vertrieben! Was stimmt bloß nicht mit mir?
In der Frühstückspause war sie so unglücklich, dass sie jemanden anfauchen wollte, und dummerweise war es Ruby, die alles abbekam.
Sie saßen zusammengekauert auf einer Bank und guckten den Jungs missmutig beim Fußballspielen zu, als Ruby fragte: »Lotte, ich weiß, du hast gemeint, du würdest nicht darüber reden wollen, aber hast du versucht, nach Sofie zu suchen?«
»Was ist denn das für eine blöde Frage?«, knurrte Lotte. »Natürlich habe ich das!«
Ruby sah verletzt aus, doch sie fuhr fort: »Ich meine, hast du in echt nach ihr gesucht. Nicht mit Magie. Bist du rausgegangen und hast Ausschau nach ihr gehalten?«
»Sie ist ein magischer Hund, also habe ich mit Magie nach ihr gesucht, okay? Du verstehst das nicht.«
Ruby zuckte mit den Schultern. »Na schön«, brummte sie. »Dann sei eben so.«
Lotte funkelte sie erbost an. »Oh, tut mir leid. Ich bin diejenige, mit dem verloren gegangenen Hund. Habe ich nicht das Recht, aufgebracht zu sein?«
Ruby funkelte zurück. »Aufgebracht, ja, unverschämt, nein. Ich habe nur versucht zu helfen.«
»Nun, lass es einfach.«
»Schön, das werde ich!«
»Gut!«, fauchte Lotte.
Ruby stand auf, beugte sich dann aber noch einmal zu Lotte herunter, um einen letzten Pfeil abzuschießen. »Falls du alle deine Freunde so behandelst, überrascht es mich nicht, dass Sofie abgehauen ist.« Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und stolzierte davon.
Lotte sah ihr mit offenem Mund nach. Es fühlte sich an, als habe Ruby sie in den Magen geboxt, und ihr blieb einen Moment die Luft weg.
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