Die zauberhafte Tierhandlung Bd. 4 - Lotte und das Kaninchen-Wunder
dachte, ich hätte alle verloren, selbst dich. Genau da ist Zara aufgetaucht – sie hat einfach den falschen Moment gewählt. Deshalb habe ich sie geschlagen.«
»Ich habe dich inspiriert!«, sagte Ruby zufrieden strahlend.
Kapitel 6
Am nächsten Morgen stand Lotte früh auf und verließ die Tierhandlung Richtung Schule mit einem Packen Plakate und einer Rolle Paketband in der Hand. Das Paketband benutzte Onkel Jack, wenn er Bestellungen einpackte, die mit der Post verschickt wurden. Sie war froh, aus dem Haus zu kommen, ohne ihrem Onkel begegnet zu sein. Er war nicht wütend wegen des Nachsitzens geworden. Tatsächlich hatte er noch einmal angeboten, in die Schule zu kommen und mit Mrs Laurence über Zara zu reden. Lotte konnte sich nichts Schrecklicheres vorstellen. Er machte sich jedoch große Sorgen um Sofie. Den ganzen Abend über hatte er darüber nachgegrübelt, wo sie stecken könnte, und Lotte gebeten, mithilfe ihres magischen Bandes nach Sofie zu suchen. Sie hatte es so viele Male versucht, und jedes Mal hatte sie wieder nichts entdeckt und sich noch hilfloser gefühlt. Ariadne war vorbeigekommen, um zu helfen, und die Sorge in ihren Augen, wenn die Suche erneut ergebnislos verlaufen war, hatte Lotte Übelkeit bereitet. Sie wollte sich an diesem Morgen keinem weiteren Bombardement aus Vorschlägen stellen.
Normalerweise bat sie Sofie, Onkel Jack davon zu erzählen, wenn sie das Haus aus irgendeinem Grund früher verließ, dachte Lotte traurig und hinterließ ihre Botschaft stattdessen bei Horaz.
Der mürrische alte Papagei warf einen Blick auf die Plakate. »Alle Wörter richtig geschrieben, was? Hmm. Braves Mädchen.«
Lotte blinzelte. Horaz war sonst nie nett. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie die Ladentür aufschloss. Wenn Horaz eine Gelegenheit verstreichen ließ, sie herunterzuputzen, hieß das wahrscheinlich, dass er nicht länger daran glaubte, dass Sofie zurückkommen würde.
»Ich werde sie finden, hörst du?«, verkündete sie beinah wütend.
»Das ist die richtige Einstellung.« George, der Hamster, nickte. »Auf mit dir, Lotte, Liebes.«
»Geh und hol sie dir zurück, Lotte!« Das kam von Fred, der mit seinem Freund Piet vor dem Käfig auf und ab tanzte. Sie schlangen ihre Schwänze umeinander, als wären es Bänder an einem Maibaum, und wirbelten, »Lotte, Lotte, Lotte!« singend, im Kreis.
Lotte ging durch die in Nebel gehüllten Straßen und klebte ihre Plakate an Laternenpfähle und Gartenzäune. Wenn sie ein Geschäft entdeckte, das geöffnet hatte, bat sie darum, eins ins Schaufenster hängen zu dürfen. Der Kellner von Lottes und Sofies Lieblingscafé öffnete gerade die Fensterläden, als sie vorbeikam. Er war entsetzt, als sie ihm von Sofies Verschwinden erzählte, und nahm gleich zwei Plakate. Er vergötterte Sofie und gab ihr immer extra Plätzchen zu ihrem Espresso. Er sagte zu Lotte, sie sähe hungrig aus, und schenkte ihr ein Croissant. Lotte knabberte daran, während sie weiterging, und wünschte sich, Sofie wäre hier, um es mit ihr zu teilen – sie liebte Croissants.
Lotte ging in einem Bogen durch die Stadt, damit sie bei der Brücke auskam, wo sie sich wie immer mit Ruby treffen wollte. Sie hatte auch schon ein paar der Plakate entdeckt, die Ruby am Abend zuvor aufgehängt hatte. Sie kam an der schäbigen kleinen Tierhandlung vorbei und spähte durch die Fensterscheibe. Der Kaninchenkäfig war gerade so zu erkennen. In der Ecke lag ein kleines gräuliches Etwas – das Kaninchen – zu einem verzweifelten Häuflein zusammengerollt. Es sah sogar noch unglücklicher aus als zuvor. Vielleicht habe ich auch für ihn alles nur noch schlimmer gemacht, dachte Lotte betrübt. Erst habe ich ihn glauben lassen, mir liege etwas an ihm, und dann bin ich einfach verschwunden. Ich muss ihn hier rausholen. Vielleicht wäre Mum bereit, mir etwas Geld zu schicken, damit ich ihn kaufen kann … Ich werde heute Abend noch einmal den Zauberspruch ausprobieren. Gestern habe ich mir zu viele Sorgen um Sofie gemacht, um es zu versuchen, aber das kann das Kaninchen ja nicht wissen. Es ist nicht seine Schuld.
Als Lotte an diesem Abend die Treppe hinauf in ihr Zimmer ging und das geisterhafte Klackern von Krallen auf den Stufen vor sich zu hören vermeinte, wusste sie, dass es nur Einbildung war. Wunschdenken. Sie fühlte sich so allein – die Vorstellung, sich ohne Sofies Hilfe an einem komplizierten Zauberspruch zu versuchen, war einfach Furcht einflößend. Sie nahm an,
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