Die Zauberlehrlinge
mir mehr abverlangt, als ich an Kraft besaß. Nachdem ich aber einmal so weit gekommen war, war Warten nicht mehr möglich. Ich hätte das Ganze nicht noch mal durchstehen können. Die Kraft hätte ich nicht gehabt. Tut mir leid, dass ich mein Wort brechen musste. Ich versuche nicht zu leugnen, dass ich das getan habe. Ich versuche bloß zu erklären, warum ich geglaubt habe, ich müsste es tun.«
»Um Davids willen?«
»Ja. Er leidet jetzt nicht mehr.« Sie blickte ihn direkt an. »Du hättest es vorgezogen, wenn ich sein Leiden auf unbestimmte Zeit verlängert hätte, nicht? Damit du weiter dem Traum einer Wunderheilung nachjagen konntest, weil das für dich der Traum von etwas war, was du nie hattest: einen Sohn. Daraus mache ich dir keinen Vorwurf. Aber ich konnte dir oder mir das nicht länger erlauben. Ich musste ein Ende machen. Und ja, wenn ich wirklich ehrlich bin: Ich hatte Angst, du könntest zurückkommen und es mir ausreden, Wenn ich die Entscheidung aufgeschoben hätte.«
»Was wäre, wenn ich dir sagen würde, dass ich in den letzten paar Wochen der Möglichkeit, diesen Traum zu verwirklichen, etwas näher gekommen war?«
»Ich würde dir nicht glauben. Ich hatte die besten verfügbaren Berater. Ich habe eine zweite Meinung eingeholt, eine dritte und eine vierte. Sie haben alle dasselbe gesagt.«
»Ich habe Donna gefunden.«
»Und was hat sie gesagt?«
Das war der Augenblick, auf den er gewartet hatte, der Augenblick, in dem er ihre Ausflüchte mit der Enthüllung zerschmetterte, wieviel er erreicht hatte - und sie hatte den Preis weggeworfen, bevor er ihn gewinnen konnte. Doch als er sie jetzt in dem kalten, grauen Licht sah, die Anzeichen von Alter und Schwäche erkannte, zögerte er. Was würde dieses Wissen ihr antun? Welche Erinnerungen an ihren Sohn würde sie nach seinen Eröffnungen noch hegen können? Welchen Sinn hatte es, sich an ihr zu rächen?
»Also, was hat sie gesagt?«
Er neigte den Kopf und öffnete mit einer hilflosen, resignierenden Geste die Hand. Die Rache würde so oder so über sie kommen, was immer er sagte oder tat. Wenn die Wahrheit über Globescope einmal heraus war, würde Davids Ruf etwas sein, in das eine Mutter sich nicht mehr tröstend einhüllen konnte. Und auch das hatte Harry bewirkt. Plötzlich empfand er mehr Mitleid als Zorn, Mitleid mit Iris und David und sich selbst.
»Danke, dass du's versucht hast, Harry. Es ist nicht deine Schuld, dass du mit leeren Händen zurückgekommen bist.«
»Wenn du bloß wüsstest«, murmelte er, aber da sie nicht reagierte, wusste er nicht, ob sie ihn gehört hatte. Sicher hätte sie die Bedeutung seiner Worte auch nicht verstanden.
»Wenn du David noch sehen möchtest, vor der Beerdigung, könnte ich...«
»Hätte Ken nichts dagegen?«
»Er braucht es nicht zu wissen. Ich könnte dich von hier aus direkt zur Kapelle bringen.«
»Aber dann würdest du von deiner Einkaufsexpedition zu spät nach Hause kommen. Sähe das nicht verdächtig aus?«
»Wenn du es schon wissen willst, Ken ist heute Morgen nicht zu Hause. Er hatte in der Fabrik etwas zu tun, ein paar Sachen zu regeln, damit er Montag frei hat.«
»Für die Beisetzung?«
» Ja. «
»Wo soll sie stattfinden?«
»St. Bartholomew's, in Wilmslow. Danach das Krematorium in Manchester. Aber Harry...«
»Ich bin dabei Persona non grata. Ist es das? Ein heimlicher Besuch in der Kapelle, während Ken sich um die Exportförderung kümmert, ist gerade noch akzeptabel. Aber dass ich dem Pfarrer die Hand schüttle, während du ihm erklärst, wer und was ich bin, ist nicht akzeptabel. Habe ich das richtig verstanden, Iris, ja?«
»Sei nicht wütend. Bitte! Du weißt, du hast nie wirklich...«
»Ihn gekannt? Oder auch nur kennengelernt, richtig?«
»Das hast du ja auch nicht, oder?«
»Schau dir das an.« Er reichte ihr das Foto, das er in Davids Haus in Maple Place gefunden hatte und auf dem er im Hintergrund zu sehen war. »Das war in seinem Haus in Washington.«
»Du warst in Washington?«
»Ich war an vielen Orten. Aber du willst nicht wissen, wo oder warum.«
»Dieses Foto... Wann wurde es aufgenommen?«
»Im August 88, auf Rhodos. Er hat mich schließlich doch gesucht, siehst du.«
»Aber das hast du nie erwähnt.«
»Ich habe es nicht gewusst. Er hat mich gesucht, aber was er fand, hat ihm nicht gefallen.« Das Foto zitterte in Iris' Hängen. Sanft nahm Harry es ihr ab. »Du hast doch nichts dagegen, wenn ich es behalte, oder?«
»Nein.« Verwirrt sah
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