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Die Zauberlehrlinge

Die Zauberlehrlinge

Titel: Die Zauberlehrlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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besaß einen präzise gestutzten Bart. Han erfodt i 1957, begann der biographische Waschzettel; er war also vier Jahre älter als David. Und das Foto sah aus, als sei es mindestens zehn Jahre alt.
    Der zweite Besuch in Margrethe Hammelgaards Geschäft kurz nach sechzehn Uhr war vielversprechender: Die fragliche Dame war zurückgekommen. Sie telefonierte gerade, als Harry in ihr Büro geführt wurde. Margrethe Hammelgaard war schlank, kurzhaarig und schick gekleidet und sah aus und klang wie eine überaus tüchtige Geschäftsfrau - zu tüchtig, um weitschweifige Fragen nach ihrem umherreisenden Bruder willkommen zu heißen, wie Harry fürchtete. Aber wenigstens sprach sie fließend Englisch. Das war zumindest ein Anfang.
    Der Anruf war beendet. Sie blickte fragend zu ihm auf.
    »Ja?«
    »Mein Name ist Harry Barnett, Miss Hammelgaard. Ich bin auf der Suche nach Ihrem Bruder.«
    »Meinem Bruder?«
    »Torben.«
    »Und Sie sind?«
    »Harry Barnett. Sie kennen mich nicht. Ihr Bruder auch nicht. Aber es ist wichtig, dass ich ihn finde.«
    »Torben lebt in Amerika. Princeton University.« Sie sah ihn ungefähr so an wie die beiden Männer im Postraum. »Kopenhagen war ihm nicht groß genug.«
    Harry trat näher. »Miss Hammelgaard...«
    »Ich kann Ihnen nicht helfen. Torben...«
    »Hat Princeton vor ungefähr sechs Wochen verlassen und ist seither nicht zurückgekommen.« Er versuchte, beschwichtigend zu lächeln. »Es ist in Ordnung. Ich weiß, was läuft. Einiges jedenfalls. Ich bin keine Bedrohung.«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    »Wenn er hier ist, muss er sich bei Ihnen gemeldet haben.«
    »Wie ich schon sagte, Torben...«
    »Ich bin David Vennings Vater.« Der Name sagte ihr etwas, das war offensichtlich. »Ich versuche, meinem Sohn zu helfen, und ich versuche, auch Ihrem Bruder zu helfen. Er ist in Gefahr. Sie wissen das, nicht wahr?«
    Sie musterte ihn einige Sekunden lang schweigend und sagte dann: »Sie haben sich gerade als Harry Barnett vorgestellt. Nicht Venning.«
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    »Dafür habe ich keine Zeit.«
    »Gut. Sie haben zu tun. Ich verstehe das. Sie haben zu tun, und auch ich bin in Eile. Vielleicht ist Torben auch in Eile. Wenn nicht, schätze ich, er sollte es zumindest sein.« Ihr Stirnrunzeln verstärkte sich und drückte Ungeduld aus. Er hatte nicht viel Zeit, um Eindruck auf sie zu machen. »Schauen Sie, Miss Hammelgaard, wenn ich nur so tun würde, als wäre ich Davids Vater, dann würde ich mich Venning nennen, nicht? Ein Hochstapler würde das tun. Ich bin aber keiner.«
    »Was sind Sie dann?«
    »Ein Vater, der zu verstehen versucht, was mit seinem Sohn passiert ist. David liegt im Koma, wissen Sie. Und zwar seit...«
    »Das weiß ich alles«, versetzte sie gereizt.
    »Weil Torben es Ihnen erzählt hat?«
    Sie starrte ihn lange und intensiv an. »Ich habe davon gelesen.«
    »Es stand in den dänischen Zeitungen? Sie überraschen mich.«
    Sie wandte den Blick ab, ein Zeichen von Schwäche, Zweifel und auch Kapitulation. »Was wollen Sie, Mr. Barnett?«
    »Ich möchte für Ihren Bruder eine Nachricht hinterlassen.«
    »Wie lautet die Nachricht?« Die Frage kam flüsternd, war ein unausgesprochenes Eingeständnis.
    »Wir müssen miteinander reden, so bald wie möglich. Die Zeit läuft aus, für alle. Ich wohne im Hotel Kong Knud in der Istedgade. Er soll heute Abend dorthin kommen.«
    »So läuft das nicht, Mr. Barnett.«
    »Wie läuft es dann?«
    »Sie müssen abwarten.«
    »Wie lange?«
    »Ein oder zwei Tage vielleicht.«
    »Das ist zu lange.«
    »Dann warten Sie eben nicht.« Sie erwiderte seinen Blick. »Sie haben die Wahl.«
    Harry wartete. Ihm blieb nichts anderes übrig. Den Rest des Tages und den größten Teil des folgenden wartete er, während Kopenhagens seltsame Mischung aus Freiheit und Strenge an seinen Nerven zerrte und die irrationale Überzeugung wuchs, dass er beobachtet wurde, verfolgt, auf Schritt und Tritt überwacht. Er schlenderte um die Sexshops der Istedgade herum und versuchte herauszufinden, wozu die exotischeren Ausstellungsstücke wohl dienen mochten. Er saß in Bars, trank Julebryg und starrte Davids Foto an, bis er jede Einzelheit auf dem Bild auswendig kannte. Er experimentierte mit dänischen Zigaretten, um seinen schwindenden Vorrat an griechischen zu schonen, und beobachtete das Kommen und Gehen der Autofähren im Hafen. Ab und an ertappte er sich dabei, dass er nervös über die Schulter blickte. Doch er war niemals schnell

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