Die Zauberlehrlinge
sah sich nach Harry um, gab ihm die Möglichkeit, sich jetzt noch aus der Affäre zu ziehen. Aber Harry war nicht bereit, so leicht aufzugeben. »Ich bin sicher, es wird nicht lange dauern. Gehen wir.«
Es war ein kurzer Weg durch pfirsichfarben gestrichene Korridore ins Büro ihres lächelnden Gastgebers. Er stellte sich unterwegs als Glendon Poucher vom Verwaltungsstab des Krankenhauses vor. Er wirkte energisch, aber entgegenkommend. Für die Annahme, er werde Schwierigkeiten machen, schien es keinen Grund zu geben, so wenig wie für die Annahme, es sei etwas anderes als normale Höflichkeit, dass er die Tür hinter ihnen schloss.
»Wie ich hörte, möchten Sie Carl Dobermann sehen.«
»Ja«, sagte Hackensack. »Aber wissen Sie, das ist keine große Sache. Bloß ein...«
»Nur so ein Einfall«, sagte Harry.
Poucher runzelte die Stirn. »Sind Sie Freunde von ihm?«
»Richtig«, sagte Hackensack. »Von früher.«
»Wie früh?«
»Wie bitte?«
»Ich frage, weil Carl vor sechsunddreißig Jahren in dieses Krankenhaus eingeliefert wurde. Seit seine Eltern gestorben sind, hat er nur wenig Besuch bekommen, und die einzigen Freunde, die er hatte, waren seine Mitpatienten. Aber Sie sind keine ehemaligen Patienten, oder?«
»Nein, Sir, das sind wir nicht.«
»Aber Sie sind Freunde von ihm?«
»Gewissermaßen.«
»Würden Sie mir vielleicht sagen, wann Sie ihn zuletzt besucht haben?«
»Nun, ich weiß nicht... nicht genau...«
»Vielleicht am 3. September?«
»O nein, nicht vor so kurzer Zeit.«
»Mit Sicherheit nicht«, warf Harry ein.
»An dem Tag sind zwei Herren gekommen, um Carl zu besuchen«, fuhr Poucher fort. »Wir kennen ihre Namen nicht, und normalerweise würden sie uns auch nicht interessieren. Sie hätten nichts zu bedeuten, mit Ausnahme der Tatsache, dass Carl Dobermann zwei Tage später aus dem Krankenhaus verschwand.«
»Was?«
»Er lief weg. Etwas, was er in den ganzen sechsunddreißig Jahren noch nie versucht hatte. Er kletterte über die Mauer und ist nicht zurückgekommen.«
26. Kapitel
Der Besuch im Hudson Valley Psychiatric Center hatte eine ohnehin schon verwickelte Situation nur noch weiter kompliziert. Carl Dobermanns unbekannter Verbleib und seine nicht zu erratenden Motive gingen mit in eine unlösbare Gleichung ein. Warum hatte David ihn besucht? Worüber hatten sie geredet? Und wohin war Dobermann zwei Tage später, nach sechsunddreißig Jahren friedlicher Unbeweglichkeit, verschwunden?
Seine Flucht hatte die Krankenhausverwaltung eindeutig überrascht, und Glendon Poucher hatte das freimütig zugegeben. »Es ist ungewöhnlich, ja fast noch nie dagewesen, dass ein so langjähriger Patient wie Mr. Dobermann die Flucht ergreift. Sein Verschwinden war eine sorgfältig geplante Aktion, denn er nützte es aus, dass am Labor-Day-Wochenende das Personal verringert war und viele Besucher kamen. Seither haben wir keine Spur von ihm entdeckt. Ich sollte hinzufügen, dass er nicht freiwillig Patient war, also würden wir jede Aufklärung sehr begrüßen, die Sie uns vielleicht geben könnten.« Doch sie konnten nichts aufklären, selbst wenn sie es gewollt hätten. Ihre hastig zusammengestoppelte Geschichte hätte möglicherweise nur dazu beigetragen, Dobermanns Spuren zu verwischen. Nein, sie waren definitiv nicht die beiden Männer, die ihn am 3. September besucht hatten. Ihre Verbindung zu ihm datierte aus den fünfziger Jahren, wo sie die gleiche Bar der Upper West Side frequentiert hatten. Poucher konnte selbstverständlich gern ihre Namen und Telefonnummern notieren - jedenfalls die falschen, die sie ihm nannten. Selbstverständlich würden sie sich bei ihm melden, wenn sie etwas erfahren sollten.
»Meinen Sie, er hat uns geglaubt?« hatte Harry gefragt, als sie wieder sicher im Auto saßen und zum Haupttor fuhren.
»Vielleicht. Die Wahrheit wird er ja wohl kaum erraten. Wir zwei sehen doch so aus, als könnten wir uns durchaus in Bars herumgetrieben haben seit... wann zum Teufel soll das eigentlich gewesen sein?«
»Irgendwann 1958. Dobermann war während der ganzen sechziger, siebziger und achtziger Jahre hier. Er gab nie zu erkennen, dass er überhaupt weg wollte.«
»Bis zwei Tage nach Davids und meinem Besuch hier. Gott, ich dachte, jeden Augenblick würde irgendein Wärter reinkommen und sagen: Ja, das ist einer der Typen, die den verrückten Carl besucht haben .«
Aber war Dobermann verrückt? Und falls ja, welche Form hatte sein Wahnsinn? In dem Punkt war Poucher
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