Die Zauberlehrlinge
ziemlich reserviert gewesen, als Harry seltsame Gerüchte über seinen flüchtigen Patienten erwähnte. »Ich habe keine Gerüchte gehört. Soviel ich weiß, hat Mr. Dobermanns Dementia seit seiner Aufnahme auf keine Behandlung angesprochen, und in letzter Zeit hat sich sein Zustand ganz bestimmt nicht verändert. Warum er überhaupt eingeliefert wurde, ist natürlich vertraulich. Gegenwärtig sind wir damit beschäftigt, ihn zu finden, nicht damit, seine Diagnose neu zu stellen. Wahnsinn erschreckt viele Leute, meine Herren. Sie wären überrascht, Welche ausgefallenen Erklärungen sie sich für die Symptome einfallen lassen.«
In der computerisierten Sicherheit von Pouchers Büro klang das so vernünftig wie bequem. Doch für Harry, der sich gelegentlich zur Seite drehte, um sein Spiegelbild in der nachtdunklen Scheibe des Zugfensters zu betrachten, war Dobermann mehr als ein entwichener Verrückter. Er war eins mit der verschwommenen Gegenwart, die Harry in Kopenhagen neben sich gespürt hatte, der Gestalt auf der Brücke, dem verklingenden Hall von Schritten, die ihm folgten. Er war der Schatten von irgendetwas, das aus der Dunkelheit gegriffen und Hammelgaard überwältigt hatte - und vielleicht nochmals zugreifen würde.
»Würden Sie mir einen Gefallen tun, wenn Sie nach New York zurückkommen, Woodrow?« hatte Harry gefragt, als sie sich auf halbem Weg zwischen Poughkeepsie und Albany befanden.
»Kommt drauf an.«
»Versuchen Sie rauszufinden, was 1958 mit Dobermann passiert ist und warum er in dieses Krankenhaus gesperrt wurde.«
»Wie zum Teufel stellen Sie sich das vor?«
»Ich weiß nicht. Beschwatzen Sie Ihre Kollegen an der Columbia University. Hausmeister bleiben meistens länger in Stellung als Professoren. Sehen Sie sich die lokalen Zeitungen aus diesem Jahr an. Schauen Sie nach, ob an der Universität etwas Ungewöhnliches passiert ist.«
»Studenten, die auf einmal durchdrehen, sind eigentlich nicht ungewöhnlich.«
»Das muss ein anderer Fall gewesen sein. Es muss etwas gewesen sein, was David zu ihm geführt hat.«
»Nein. Ich hab's Ihnen doch gesagt. Das waren die Überreste von Dobermanns Doktorarbeit. Und dazu natürlich die Gerüchte.«
»Ach ja, die Gerüchte. Sie selbst haben sie auch gehört, nicht?«
»Nein.«
»Poucher auch nicht. Das hat er jedenfalls behauptet. Vielleicht hat David sie für Sie erfunden.«
»Worauf wollen Sie raus?«
Auf eine alternative Erklärung für die Häufung von Todesfällen unter ehemaligen Mitarbeitern von Globescope. Aber an diesem Punkt fingen Harrys Ängste an, seine Gedanken zu beherrschen. Begann die Sache am 29. August in Lazenbys Büro? Oder am 3. September im Hudson Valley Psychiatric Center? Falls letzteres zutraf, war die Jagd nach den belastenden Bandaufnahmen ein sinnloser Umweg. Aber nein, das ergab keinen Sinn. Die zukünftige Welt war nicht wichtig für einen Mann, der noch nicht mal eine Vergangenheit hatte. Und doch... Er blickte auf den leeren Sitz neben sich und fröstelte. Hammelgaard hatte gesagt: »Er hatte es fast geschafft. Er stand am Rand einer historischen Entdeckung.« Wo war Dobermann? Weit fort? Oder die ganze Zeit in der Nähe, in allzu großer Nähe?
»Ich werde sehen, was ich über den Typ ausgraben kann«, hatte Hackensack widerwillig zugestimmt. »Werde ein paar diskrete Fragen stellen.«
»Danke.«
»Aber beschweren Sie sich nicht, wenn ich nichts finde. Wir reden über die fünfziger Jahre. Für die meisten Leute sind die heute so fern wie die Eiszeit.«
»Ich kann mich noch gut daran erinnern.«
»Weil Sie nicht wie die meisten Leute sind.«
»Was mache ich, wenn ich nach Chicago komme?«
»Das sage ich Ihnen in Albany.«
»Sagen Sie's mir jetzt.«
»Donna hat gesagt...«
»Sagen Sie's mir einfach, Woodrow. Vergessen Sie nicht, es geht um meinen Hals.«
Aber stimmte das wirklich? Als er später aus dem langsam aus dem Bahnhof von Albany rollenden Zug blickte und Hackensack neben seinem Cadillac auf dem Parkplatz stehen sah, hatte Harry sich gefragt, ob es wirklich riskanter war, Donna Trangam eine Botschaft zu überbringen, als Fragen über Carl Dobermann zu stellen. Einen Moment lang hatte er sich gewünscht, Hackensack hätte ihm diesen Gefallen verweigert, und dieser Wunsch war nicht weit von einer bösen Vorahnung entfernt. Vielleicht würde er ihn aus Chicago anrufen und ihm sagen, er solle es lassen. Dazu hatte er nach seiner Verabredung mit Donna noch Zeit genug.
»Okay, Harry, wie Sie
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