Die Zauberlehrlinge
nicht.«
»Nein?«
»Rufen Sie morgen früh bei Globescope an, und sagen Sie ab.«
»Wollen Sie das wirklich?«
Mit einem halben Lächeln antwortete sie: »Ganz und gar nicht. Der Gedanke, mit dem Weglaufen und Verstecken Schluss zu machen, der Gedanke, dass morgen um diese Zeit alles vorbei sein kann - können Sie sich vorstellen, wie attraktiv der ist? Aber ich darf nicht zulassen, dass Sie es machen. Ich kann Sie dieses Risiko nicht eingehen lassen.«
»Warum nicht?«
»Weil die Chancen sich verändert haben. Sie schulden uns nicht so viel, dass Sie diesen Einsatz riskieren müssten. Eigentlich schulden Sie uns überhaupt nichts.«
»Aber David schuldet Ihnen einiges.«
»Und Sie finden, dass Sie ihm etwas schulden, nicht?«
»Ich schätze, das tue ich wohl. Nachlässigere Väter als mich dürfte es kaum geben.«
»Aber Sie haben ja nicht geahnt, dass Sie Vater sind.« »Das ist keine Entschuldigung.«
Donna schlürfte ihren Champagner und musterte ihn nachdenklich. »Haben Sie noch andere Kinder?« Er grinste verlegen. »Nicht, dass ich wüsste.« »Waren Sie jemals verheiratet?«
»Technisch gesehen bin ich das noch immer. Aber das ist nicht das, was man als Liebesheirat bezeichnen würde.« »Hat es je eine Liebesheirat gegeben?« Harry, gezwungen, die emotionale Wüste seiner mittleren Jahre zu betrachten, zuckte mit den Schultern. »Nein.«
»Aber danach suchen Sie, nicht? All das mit den Schulden, den Pflichten und den Verantwortlichkeiten eines Vaters ist bloß Tarnung. Was Sie suchen, ist Liebe, menschliche Wärme, ein Ende der Einsamkeit.«
»Ich bin nicht einsam.« Noch während er die Worte aussprach, wurde ihm ihre Hohlheit bewusst. Donna hatte direkter ins Schwarze getroffen, als nach so kurzer Bekanntschaft zu erwarten gewesen wäre.
»Doch, Sie sind einsam. Ich kenne die Anzeichen.« »Aus persönlicher Erfahrung?«
»Vielleicht. Aber reden wir nicht von mir.« »Warum nicht? Sie sind interessanter als ich.« »Aus meiner Sicht nicht. Ich bin bloß eine sehr direkte, neurotisch-zwanghafte Wissenschaftlerin, kinderlose Feministin und abgefallene Protestantin. Alles Routine. Sie dagegen sind nicht einzuordnen, ein echtes Rätsel. Eine Spur zu sensibel, zu intelligent und zu dickköpfig, um als die ehrgeizlose Unperson durchzugehen, als die Sie sich ausgeben. Vor ein paar Jahren waren Sie ein betrunkener Aushilfskellner in einer griechischen Taverne. Wie kommt es, dass Sie jetzt immerhin versuchen, den weißen Ritter mit dem rostigen Schwert zu spielen? Was haben Sie in der Zwischenzeit mit Ihrem Leben gemacht?«
»Es hat ein paar Anforderungen an mich gestellt.«
»Denen Sie gewachsen waren?«
»Das würden die meisten Leute allerdings verneinen.«
»Erzählen Sie mir davon!«
»Warum?«
»Weil ich neugierig bin. Weil Sie etwas über David und mich wissen wollen und ich zu einem Handel bereit bin. Weil wir, was immer wir zu tun beschließen, nichts vor morgen früh unternehmen können, und ich will nicht die ganze Nacht damit zubringen, darüber zu streiten.«
»Dann streiten wir eben nicht. Ich gehe einfach zurück in mein Zimmer, ich denke, wir könnten beide ein bisschen Schlaf vertragen.«
»Möchten Sie wirklich lieber gehen?«
»Nein.« Mit diesem einen Wort gestand er einen Wunsch ein, der ihnen beiden gemeinsam war: den nach geteilter Einsamkeit, nach dem Herunterlassen der Abwehrmechanismen. »Ich will nicht gehen. Sie wissen das.«
»Ja, weiß ich das? Ich bin nicht mehr sicher, was ich überhaupt weiß. Alle diese Wochen, weglaufen und sich verstecken ... Herrgott, so lange, dass ich fast...« Plötzlich wurde sie von einem Schluchzen geschüttelt. Instinktiv streckte Harry die Hand aus, um sie zu trösten, und mit zuckenden Schultern lehnte sie sich an ihn.
»Ist schon gut«, sagte er und legte einen Arm um sie. »Wirklich, alles okay.«
»Tut mir leid.« Sie wich zurück und wischte sich mit dem Ärmel des Bademantels die feuchten Wangen ab. »Das ist so ... so dumm.«
»Nein. Bloß menschlich.«
»Ich musste mir jeden Schritt überlegen, jedes Risiko abwägen, vor Makepeace und sogar Rawnsley so tun, als hätte ich wirklich die Kontrolle über alles.« Ihre Tränen flössen jetzt ungehemmt. Sie machte keinen Versuch, sie zurückzuhalten oder zu verbergen. »Aber ich habe sie nicht, oder?« »So viel wie alle anderen.« »Und wieviel ist das?«
Harry riskierte ein Lächeln. »Fast gar keine.« Sie lachte unter Tränen. »Sie sind ein solcher Dummkopf. Ein
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