Die Zauberlehrlinge
solch lieber, guter Dummkopf. Wenn David das nur gewusst hätte.«
»Vielleicht kann er es noch erfahren.« »Vielleicht.« Sie wischte sich mit der Hand die Tränen ab und erwiderte sein Lächeln. »Hier, mit Ihnen in diesem Augenblick, glaube ich beinah daran, dass er es kann.«
37. Kapitel
Als Harry erwachte und zwischen den Vorhängen das erste Morgengrauen sah, wusste er eine Sekunde lang nicht, wo er war. Kensal Green? Kopenhagen? Dallas? Nein. Plötzlich, als er sich ein wenig bewegte und Donna neben sich schlafen sah, trafen Erkenntnis und Erinnerung zusammen. Er schloss die Augen und seufzte. Gestern hatte es wie ein ganz natürlicher Verlauf ausgesehen, vom Trostspenden zu geteilter Lust. Doch was gestern fast zu schön gewesen war, um wahr zu sein, wirkte jetzt viel zu kompliziert, um noch Trost zu spenden. Eine anklagende Stimme flüsterte ihm ins Ohr: »Du bist alt genug, um ihr Vater zu sein, Harry. Was würde dein Sohn sagen, wenn er das wüsste? Wie würdest du es ihm erklären? Wie würdest du es rechtfertigen?«
Jetzt war plötzlich alles ganz klar. Sie war ihm auf irgendeine merkwürdige Weise anvertraut worden, und er hatte dieses Vertrauen missbraucht. Sie hatte mehr als zwei Monate quasi im Untergrund gelebt, ihre Zunge gehütet, ihre Ängste unterdrückt, ihre Gefühle verdrängt. Es war verständlich, dass dieser Damm am Ende brach. Er war nur zufällig zur Stelle gewesen, als es geschah, und er war selbst einsam und verängstigt gewesen. Aber dennoch hätte er vernünftig und reif genug sein sollen, um die Konsequenzen vorherzusehen und zu vermeiden. Jetzt waren sie offensichtlich, so offensichtlich wie verstörend.
Es war eine Nacht geistiger und körperlicher Intimität gewesen, eine Begegnung der Seelen und der Körper. Harry hatte Donna mehr über sich selbst erzählt als jemals einem Menschen zuvor, und Donna war ebenso offen gewesen.
Sie war vor dreißig Jahren in Seattle als jüngste von drei Töchtern eines Luftfahrtingenieurs geboren worden und wie so viele von Globescopes Opfern ein akademisches Wunderkind gewesen. Sie war in das Treibhaus der wissenschaftlichen Forschung geraten, als sich dort gerade die Computer breitmachten. Vom Institut für Neurowissenschaften in New York, wo sie sich an den Bemühungen beteiligt hatte, künstliche Intelligenz zu schaffen, war sie als Dozentin nach Berkeley gegangen. Dort hatte sie im Herbst 1990 bei einer Konferenz über die Definition des Bewusstseins David Venning kennengelernt. Ihre sofortige und gegenseitige Sympathie wurde durch Donnas irrige Annahme gedämpft, David liebe seine Ehefrau. Als sie sich zwei Jahre später bei Globescope wieder trafen, lebten David und Hope in Scheidung. Bald wurde deutlich, dass David sich bei Lazenby für Donna eingesetzt hatte, und zwar auch in der Hoffnung, ihre Bekanntschaft zu intensivieren, aus der bald Liebe wurde. Sie waren zusammengezogen, hatten vorgehabt zu heiraten, hatten über Kinder gesprochen. Sie waren glücklich. Und dann, gerade als Davids Scheidung es ermöglichte, ihre Pläne in die Tat um zusetzen, war etwas schiefgelaufen. Eine Unstimmigkeit über eine wissenschaftliche Theorie hatte Donnas Verdacht bestätigt, dass David sein intellektuelles Potential höher einschätzte als ihres, dass er glaubte, Mutterschaft und Haushalt würden sie besiegen, wo er es nicht konnte. Die schwelenden Differenzen mit Lazenby hatten ihre Beziehung noch weiter kompliziert, und sie war zerbrochen. Donna war in ein eigenes Apartment gezogen. Sie verstanden sich nicht mehr, wenn ihnen auch eine Art bewaffneter Waffenstillstand gestattet hatte, weiter zusammenzuarbeiten.
Dann war die Krise bei Globescope ausgebrochen und hatte ihre Differenzen unüberwindbar gemacht. David musste seinen geheimen Handel mit Lazenby als Mittel betrachtet haben, ein für allemal seinen Standpunkt zu beweisen: dass er intelligenter und raffinierter war als Donna und sie vor sich selbst rettete. Der Bruch ihrer Beziehung und die Gründe dafür gingen mit in seine schicksalhafte Entscheidung ein, sie zusammen mit den anderen zu verraten.
Das war für Harry das Schwerste. Er sollte seinem Sohn helfen und nicht die Frau verführen, die sein Sohn geliebt hatte. Das war schlimmer als Fahnenflucht, es war ein Verstoß gegen seine Pflichten. Wie würde er David das erklären, falls er gesund werden sollte? Wie würde er es so darstellen, dass es nicht nach Schande klang?
Es war ganz allein sein Fehler. Donna würde natürlich
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