Die Zauberlehrlinge
und ihren Sohn anfeuern zu sehen. Dann schob er den Gedanken beiseite und schüttelte den Kopf wie ein Pferd, das eine hartnäckige Fliege verscheuchen will. Abwesend streckte er die Hand aus und berührte den Heizkörper neben der Tür.
Er war warm. Nicht heiß, aber warm. Das erinnerte ihn daran, dass es im Haus nicht so feuchtkalt war, wie man es nach langem Leerstehen hätte erwarten können. Dann bemerkte er die Post auf dem Tisch am Fenster. Briefe und Prospekte von zwei Monaten, die eigentlich hinter dem Briefkastenschlitz in der Eingangshalle hätten liegen müssen, waren dort ordentlich gestapelt und erwarteten Davids Rückkehr. Aber gestapelt von wem? Einem Freund? Einem Nachbarn? Wo waren sie? Wie oft kamen sie vorbei?
Harry hastete weiter. Er schaute in die Küche, eine karge Junggesellenküche mit Wasserkessel, Geschirrschrank und Herd, und ging dann die Treppe hinauf. Es gab zwei Schlafzimmer und ein Bad; das hintere Schlafzimmer diente als Arbeitszimmer. Dort waren weitere Bücher und Magazine gestapelt, allerdings weniger ordentlich als im Wohnraum. Farbkopien von Computergraphiken - Seepferdchen, die in verwirrenden Spiralmustern umherschwirrten - waren an die Wände geheftet. Computer, Telefon, Faxgerät und weitere elektronische Geräte nahmen einen großen Tisch an einem Ende des Zimmers ein. Ein Schreibtisch von bescheidenen Ausmaßen stand vor dem Fenster, das auf einen kleinen Garten und ein Stück Gehölz hinausging, das zu einem Bach hin abfiel.
Harry setzte sich an den Schreibtisch. Die Platte war leer bis auf eine verstellbare Lampe und einen Souvenirbecher von Charles und Di, gefüllt mit Stiften. Sie sah aus, als sei sie vor einer längeren Abwesenheit aufgeräumt worden. Er fuhr mit den Fingern über das Holz - keine Spur von Staub. Dann öffnete er die Schublade unter der Platte. Sie enthielt eine Hängekartei mit dicken Manilaheftern, deren Schildchen mit Filzstift beschriftet waren. Die ersten paar waren ziemlich harmlos. Steuern. Haus. Hypothek. Auto. Versicherung. Der dickste war mit Scheidung beschriftet. Mit respektvoller Zurückhaltung widerstand Harry der Versuchung, ihn sich anzusehen. Die Mappe mit der Aufschrift Globescope zog er heraus und sah sie durch. Sie enthielt nichtssagende Formbriefe über Davids Einstellungsbedingungen, die meisten davon von Luke Brownlow unterschrieben. Doch das letzte Blatt im Ordner, drei kurze Zeilen, mit denen David zum 12. April entlassen wurde, war in Lazenbys krakeliger Schrift unterzeichnet. Auch den nächsten Ordner, HYDRA, blätterte Harry neugierig durch, doch er enthielt nur Briefe aus fünf Jahren an die verschiedensten Personen und Organisationen mit der Bitte um Unterstützung für die Gründung von HYDRA. Die Antworten waren samt und sonders entmutigend.
Die letzten Hängeordner waren leer. Unbenutzt vermutlich, obwohl ein Knick in der Pappe bei einem von ihnen diesem Schluss ein wenig widersprach. Harry blieb einige Minuten sitzen und überlegte, wieso es so wenig Arbeitsmaterial gab. Wo waren die Computerdisketten, die dicken Notizblöcke, von denen er annahm, dass ein theoretischer Mathematiker sie ganz natürlich um sich haben würde? Da waren natürlich die Notizbücher gewesen, aber hatte es sonst nichts gegeben?
Er stand auf und ging zu den gestapelten Büchern und Magazinen hinüber, um deren Titel zu betrachten. Die meisten waren so undurchdringlich fachspezifisch, wie er angenommen hatte. Teilchenphysik und Quantentheorie, Superstrings und Twistor Space, Topologie und Kosmologie: unverständliche höhere Mathematik, vor der Harry instinktiv zurückschreckte. Dazu ein paar medizinische Texte über Diabetes, ein paar Science-fiction-Romane, mehrere davon von Isaac Asimov, ein paar Ausgaben von Scientific American und ähnlichen Journalen. Es war das, was man erwartet hätte, aber nicht das, wonach er suchte. Vielleicht gab es einfach nichts zu finden. Vielleicht waren die Notizbücher alles, was existiert hatte.
Er ging ins Schlafzimmer. Eine Überdecke war über das Bett gebreitet, darunter sah man die Umrisse von Kissen und gefalteten Decken: ein weiterer Beweis dafür, dass David für eine ganze Weile hatte verreisen wollen. Es gab einen Kleiderschrank und Nachttisch, aber sonst keine Möbel. Ein großes Aquarell, das vermutlich die kalifornische Küste darstellte, dominierte die Wand gegenüber dem Fenster. Er schaute hinaus auf die Straße und vergewisserte sich, dass der Alarm wirklich niemanden aufgeschreckt
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