Die Zauberlehrlinge
spürte, wie schwer es ihr fiel, ihre Antwort auf das unmittelbar Notwendige zu beschränken. »Ja.«
»Wie schnell kannst du los und mich abholen?«
»In zehn Minuten.«
»In Ordnung. Zehn Minuten. Ecke Constitution und Twelfth, Ostseite. Ich warte dort.« Und damit legte er auf, ehe sie noch ein weiteres Wort sagen konnte.
45. Kapitel
Bewegung gab Sicherheit und schuf zwischen ihnen eine Distanz, die keiner von beiden unbedingt durchbrechen wollte. Donna fuhr langsam östlich bis zum Supreme Court, dann westlich zur Südseite der Mall. Dabei hörte sie das Band ab. Sie hörte es sich zwei- oder dreimal an, während Harry sie vom Beifahrersitz aus beobachtete und versuchte, ihre Reaktion an ihrem Gesicht abzulesen. Kummer über den greifbaren Beweis für den Verrat ihres früheren Liebhabers? Erleichterung über das Ende ihres Lebens im Untergrund, das es versprach? Dankbarkeit, weil Harry das Band beschafft hatte? All das hätte sie empfinden können, aber ihr Ausdruck verriet nichts.
Endlich, auf einem dunklen und verlassenen Straßenabschnitt in der Nähe des Jefferson Memorial, fuhr sie an den Straßenrand, stoppte das Band, nahm die Kopfhörer ab und sagte, ohne Harry anzusehen: »Das wird Lazenby vernichten. Ich bezweifle, dass es im juristischen Sinn ein Beweis ist, aber es reicht.«
»Du scheinst nicht sehr erfreut.«
»Ich empfinde auch keine Freude. Ich habe David immerhin geliebt, und Torben war ein guter Freund. Wenn das hier vorbei ist, wird ihr Ruf nicht mehr sehr viel besser sein als der von Lazenby.«
»Das ist nicht zu ändern.«
»Wir reden von deinem Sohn, Harry! Ist es dir egal, was die Leute über ihn denken?«
»Wichtiger ist mir, was er von mir denkt.«
»Du sprichst schon wieder hartnäckig in der Gegenwartsform, als könnte ich für dich ein Wunder vollbringen!«
»Gestern Nacht schienst du zu glauben, du könntest es.«
»Ich habe mich schon gefragt, ob du die gestrige Nacht erwähnen würdest oder einfach so tun, als hätte es sie nicht gegeben. Mich zu verlassen war eine Art Leugnen, nicht?«
»Donna, ich...«
»Sag nicht, dass es dir leid tut. Sag das bitte nicht!«
»Ich bin gegangen, ohne dich aufzuwecken, damit du keine Chance hattest, mich an meinem Besuch bei Lazenby zu hindern. Aus keinem anderen Grund!«
»Du hattest Schuldgefühle, Harry. So sieht es aus! Und das macht auch mir Schuldgefühle, die mir nicht gefallen. Für jemanden, der alt genug ist, mein Vater zu sein, gehst du nicht sehr reif mit deinen Emotionen um.« Sie seufzte. »Aber du vollbringst Wunder, wie es scheint, selbst wenn du das, was du dir wünschst, nicht erreichen kannst. Wie hast du das Band bekommen?«
»Das war nicht schwer.« Allerdings nicht so leicht, wie er es klingen ließ. Er hatte sich bereits entschieden, dass Donna nichts von Barrys Beteiligung an der Sache zu wissen oder sich darüber zu sorgen brauchte. »Ich habe Lazenby gesagt, dass mein Partner krank ist. Bei unserem Gespräch ging er für ein paar Minuten aus dem Zimmer, da habe ich das Band geholt. Es war da, wo Torben gesagt hatte. Kein Problem.«
»Kein Problem? Komm schon, Lazenby würde niemals einen Fremden allein in seinem Büro lassen. So einfach kann es nicht gewesen sein.«
»Vielleicht verliert er seinen Biss. Das Band beweist das doch.«
»Ja.« Sie klopfte mit der Kassette auf das Steuerrad. »Rettung im letzten Moment. Und du gibst mir einfach das Band. Kinderleicht.«
»Es hat funktioniert. Manchmal klappt es eben.«
»Und jetzt wirst du sagen, dass wir schnell machen müssen dass es Zeitvergeudung ist, hier rumzusitzen.«
»Na ja, wir waren uns einig...«
»Sag mir nicht, worüber wir uns einig waren. Ich erinnere mich selbst. Und du hast recht, so ungefähr in allem. Ich hätte heute Morgen versucht, es dir auszureden. Zufällig liegt mir an dir. Deswegen bin ich noch nicht mit dem Band in der Tasche in die Nacht entschwunden. Weil ich denke, dass du versuchst, mich loszuwerden. Und der Grund muss sein, dass du glaubst, Lazenby würde dich verfolgen. Also willst du mich aus dem Weg haben.«
»Natürlich. Aber nur zur Sicherheit. Lazenby ahnt nichts.«
»Ich kenne dich nicht gut genug, um zu wissen, wann du lügst.«
»Ich lüge nicht. Nimm das Band und geh! Ich melde uns morgen beide im Hotel ab. Dann nehme ich den Zug nach New York, besuche Woodrow, damit er beruhigt ist, und fliege zurück nach England. Ich werde Iris sagen, dass du dich mit Hector Sandoval in Verbindung setzt, damit er sich
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