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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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vergraben hat. Ich habe Euch zugesehen. Und ich habe alles für mich behalten, damit Ihr mich liebt.«
    »Ich begehre Euch nicht«, sagte Gilbert.
    »Oh, das müßt Ihr aber, Ihr müßt. Hugos Samen taugt nichts. Ich brauche einen Mann, einen Mann, begreift Ihr das nicht? Ich will meinen Ehrenplatz wiederhaben.« Lady Petronillas Augen blickten wild. Wenn ihre Augen so hervorquellen, sieht sie noch mehr wie ein Frosch aus, dachte Gilbert. Ich muß versuchen, sie mit vernünftigen Argumenten zu beruhigen.
    »Sein Samen taugt sehr wohl. Er hat Bankerte auf zwei Kontinenten. Braucht Ihr noch mehr Beweise? Haltet Euch an Hugo und laßt mich in Ruhe.« Doch mit einer Irren konnte man nicht vernünftig argumentieren.
    »O nein, ich weiß, daß Ihr mich insgeheim liebt. Ihr seid wild auf meinen weißen Leib. Ich kenne mich aus – die Anzeichen –, Eure Augen glühen vor heimlichem Verlangen.« Sie griff nach Gilbert, doch der sprang entsetzt zurück.
    »Hände weg, Hände weg!« schrie er, aber bei seinem Satz rückwärts stolperte er über die Altarstufe. Er schlug der Länge nach hin, stieß sich den Rücken, aber was ihn noch mehr aufbrachte, war, daß Lady Petronilla das als Einladung auffaßte und sich auf ihn stürzte. O verflucht, jetzt hatte er seine Zeile vergessen. Unselige Störung. Er schob sie grob beiseite und stand auf.
    »Das sollt Ihr mir büßen, so wahr ich lebe. Ich schreie es in die Welt hinaus!« kreischte sie.
    »Nur immer zu, und zum Henker mit Euch. Wer glaubt schon einer Irren?« sagte er und warf einen Blick zurück über die Schulter. Aber im Hinausstürmen merkte er, daß er in der Kapelle nicht allein mit der rolligen Petronilla gewesen war. »Oh! Madame! Seid Ihr schon die ganze Zeit über hier?« Denn im Eingang zur Kapelle stand Madame naserümpfend und zu allem entschlossen. Sie hatte ein Paar hübsche schmiedeeiserne Kerzenhalter in der Hand. Er blickte zurück. Hinter ihm stand Petronilla nackt wie ein gerupftes Huhn. Mein Gott, dachte er, was wird Madame Margaret erzählen?
    »Ich bin lange genug hiergewesen, um zu sehen, daß Ihr ein Mann von Ehre seid«, sagte Madame und lächelte kaum merklich, als sie sah, wie er sich noch immer an der Tintenflasche festhielt. »Eure Tintenflasche – ist sie zerbrochen?« Er blickte an sich hinunter und merkte, daß sie tropfte.
    »Ach, jetzt habe ich mein Wams ruiniert. Was wird Margaret sagen?« fragte er und kam sich dabei einfältig und albern vor.
    »Sie wird sagen, eine Frau, die sich nackt auszieht und hinter dem heiligen Altar der Familienkapelle ihren Schwager anspringt, sollte man wieder einsperren«, sagte Madame. Lady Petronilla antwortete mit einem gräßlichen Kreischen.
    »Das werdet Ihr nicht tun, niemals. Ich bin geheilt. Ich habe vier Teufel gehabt. Ich bin ein Wunder. Dazu gibt niemand seine Zustimmung.« Petronillas Gekreisch schallte durch die Kapelle, während Madame Gilbert durch den gewundenen schmalen Gang folgte. Beim Gehen goß er Tinte aus der Flasche in sein Tintenhorn, ein ziemlich schwieriges Unterfangen, welches bedingte, daß er Madame bat, den Korken zu halten.
    »Bekleidet oder unbekleidet, die Frau ist widernatürlich«, sagte Gilbert, war aber in Gedanken schon wieder bei seiner plainte. Die Zeile war ihm wieder eingefallen, und er stellte sich vor, wie sie sich zu Musikbegleitung ausnehmen würde. »Ach, der Korken. Vielen Dank, Madame. Ich bin froh, daß Ihr alles gehört habt, wer würde mir sonst Glauben schenken?« Friedlich schritten sie durch den Palas unter den mit Schinken und Wildbret behängten Dachsparren dahin, und Gilbert war so erleichtert, daß er sich keinen Augenblick lang fragte, was Madame noch gehört haben könnte, falls sie alles mitbekommen hatte, was hinter dem Altar in der Kapelle durchgesickert war.

    »Aha, Gilbert, da bist du ja. SCHON WIEDER Tintenflecke, und das, wo ich just zu hoffen wagte! Oh, und Madame auch. Habt Ihr eine Vorstellung, wie viele Kleidungsstücke er verdorben hat, ehe er ausgerissen ist? Nicht zu fassen, daß er in ein Kartäuserkloster eintreten wollte, wo man ganz in Weiß geht! Ha!« Gilbert bekam rote Ohren und biß sich auf die Lippen. Sir Hubert bedachte seine undankbare Brut mit einem bitterbösen Blick. »Du bist rückfällig, RÜCKFÄLLIG, Gilbert. Dir würde eine Tracht Prügel guttun!« Der Herr von Brokesford baute sich unmittelbar vor seinem zweiten Sohn auf, so daß er keinen Schritt mehr tun konnte. »Laß ab von der Tagträumerei und hör mir zu!

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