Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
Ich muß mich unter vier Augen mit dir beraten.« Ärger, nichts als Ärger, dachte Gilbert. Warum hat sich alles gegen meine schöpferischen Erleuchtungen verschworen?
    »Nur nicht in der Kapelle, Vater. Dort tanzt Lady Petronilla splitterfasernackt herum.«
    »Nicht schon WIEDER! Wozu habe ich den Kanonikus bezahlt, daß er sie von all den Teufeln befreit? Na schön! Dann eben nicht. Gehen wir nach draußen.« Der alte Ritter packte seinen zweiten Sohn beim Arm und führte ihn zu einer Stelle, wo Wildblumen im Gras wuchsen und es keine Ohren außer denen von Stuten und ihren Fohlen gab, die mithören konnten.
    »Paß auf, du mußt zu etwas deine Meinung abgeben. Wir stecken beide bis zum Hals drin. Der Advokat hat seine Klage zurückgezogen.«
    »Aber das ist doch gut, oder?« Gilbert hoffte, ihn rasch loszuwerden, ehe sich seine plainte wieder in die himmlischen Gefilde verflüchtigt hatte, von wannen sie gekommen war.
    »Gut – außer in einem Punkt. Das Kloster hat ihm die Schenkungsurkunde abgekauft.«
    »Das bedeutet, daß der Abt glaubt, er könnte den Fall gewinnen, auch wenn es der Advokat nicht kann. Wahrscheinlich bedeutet es, daß er eine noch höhere Bestechungssumme aufbringen wird, um den königlichen Richter für sich zu gewinnen.«
    »Ach, meinst du? Dann bin ich erleichtert. Ich dachte schon, vielleicht weiß er etwas – hat etwas gewittert. Falls er beweisen kann, daß unsere Urkunde gefälscht ist, könnte uns der aus Westminster angekündigte Richter dem König höchstpersönlich zur Bestrafung vorführen. Denk bloß, Gilbert. Ein Abt mit Ländereien, die an unsere grenzen, und die Familie im Gefängnis und nicht in der Lage…«
    »Er kann uns nicht das geringste nachweisen, was auch immer er wittert – oder wünscht. Malachi ist ein Meister seines Faches.«
    »Malachi, Malachi! Dir, du nachtwandelndes Mondkalb, verdanke ich es, daß ich einem irren Alchimisten Leben und Land anvertraut habe! Wie zum Teufel konnte ich nur so blöde sein?«
    »Aber Vater, es geht dir nicht schlechter als zuvor, denn da hattest du überhaupt keine Aussichten.«
    »BESSER ist es mir gegangen! Jetzt haben wir mehr zu verlieren! Alles, was ich gebraucht habe, war eine höhere Bestechungssumme für die Richter am Grafschaftsgericht, aber selbstsüchtig, wie du bist, wolltest du das Haus nicht beleihen, an das du durch Heirat mit dieser Witwe aus London gekommen bist.«
    »Margaret ist nicht ›diese Witwe aus London‹, sie ist meine Ehefrau, und ich habe vor Gott geschworen, für sie zu sorgen, und ich werde ihr Haus niemals beleihen, weil ich die Hypothek nicht zurückzahlen könnte!«
    »Genau das meine ich. Selbstsüchtig bis ins Mark! Wozu brauchst du ein Haus? Dein Zuhause ist hier!«
    »Ein schlimmeres Los ist kaum vorstellbar! Mit einer tanzenden Irren und einer Familie eingesperrt, die Aquinas nicht von Hob dem Pflüger unterscheiden kann! Jedesmal, wenn ich mein Leben geordnet habe, bekommt mich dieser Ort wieder in die Fänge.«
    »Dann verachtest du also die Burg, in der du geboren und aufgezogen worden bist? Ich blicke dir ins Herz, Gilbert, und das ist kein schöner Anblick! Du hast mich so hereingelegt, daß ich an den königlichen Richter verraten werden kann. Ist das der Dank für meine väterliche Fürsorge? Bei Gott, ich sollte dir auf der Stelle den Hals umdrehen!« Bei diesen Worten stürzte sich Sir Hubert auf Gilbert und wollte ihn erwürgen. Gilbert tat einen Schritt zurück, und sein Vater stürzte mit ihm zu Boden.
    »Vater«, japste Gilbert, denn dessen Gewicht drückte ihm fast den Atem ab, »runter mit Euch, sonst verrate ich Euch wirklich.« Sir Hubert packte ihn an der Kehle und donnerte seinen Schädel auf den Boden. O Gott, meine plainte, schoß es Gilbert durch den Kopf. Blauer wolkenloser Himmel und hohes Gras wirbelten vor seinen Augen. Jedesmal, wenn sein Kopf aufschlug, hörte er es krachen, und Luft bekam er auch nicht mehr. Ich kann nicht einmal zurückschlagen. Seinen eigenen Vater darf man nicht anrühren. Ade, du schöne Welt.
    »Was zum TEUFEL meinst du damit, du Unmensch, du Untier?«
    »Kann nicht – reden – wenn – mich umbringt – steht Ihr – allein…«
    »Was geht nur in diesem bösartigen, übergroßen Hirnkasten vor?« fragte Sir Hubert und löste die schinkenähnlichen Pranken von der Kehle seines zweiten Sohnes. Er bemerkte einen neuen Ausdruck von Bitterkeit auf dessen Gesicht und erschrak ein wenig. Dann stand er auf, auch Gilbert richtete sich auf,

Weitere Kostenlose Bücher