Die Zauberquelle
Männerhand aufheben könntet?« Bei diesen Worten verdrehte Hugo die Augen und nahm erneut die Verfolgung auf. Gilbert seinerseits stand wie angewurzelt. Er lief scharlachrot an, seine Augen funkelten, und dann wurde er jählings wieder lebendig und stürzte in die Ecke.
»Gilbert, laß das«, rief ich hinter ihm her. »Du weißt, sie haben allen Grund, sie nicht zu mögen.«
»Sir Gilbert, Gerechtigkeit sollte durch Erbarmen gemildert werden«, sagte Madame und zupfte mit schmaler blasser Hand an seinem Ärmel. Doch ihr Gesicht war rosig, was ihr sehr gut stand, und ich hatte mit eigenen Augen gesehen, wie sie sich mit dem Ärmel die Lachtränen abwischte.
»Madame, sie müssen lernen, daß man sich über Respektspersonen nicht lustig macht.«
»Sie haben sich nicht über eine Respektsperson lustig gemacht«, sagte Madame ruhig.
»Vater, es tut uns auch sehr, sehr leid«, sagte Alison, die immer wußte, woher der Wind wehte.
»Vater, sie ist so falsch«, sagte Cecily. »Du trägst doch nicht ihre Farben, oder?« Gilbert stutzte.
»Cecily, wie kommst du nur auf solch gräßliche Gedanken?«
»Das lernen wir gerade über das Ritterwesen, aber ich mag das gar nicht.«
»Ich auch nicht, Cecily. Du weißt doch, ich würde nur die Farben deiner Mutter tragen. Gott hat mich nicht aus Frankreich heimkehren lassen, damit ich sie verrate.«
»Da bin ich aber froh. Vater«, sagte Cecily. »Laß die Finger von dieser Lady. Sie ist hinterhältig und böse.«
»Tu ich, auch wenn ich dann mehr mit Hugo Zusammensein muß, als mir lieb ist.«
»Guck mal mein Hündchen, Papa. Seine Augen sind ganz zu gewesen. Aber jetzt sind sie offen, und es kann laufen. Papa, sind meine Augen auch so zu gewesen?«
»Als du geboren worden bist, Peregrine? Nein, du hast deine gleich aufgemacht. Das habe ich selbst gesehen. Menschen sind nämlich anders als kleine Hunde.«
»Ach, schade«, sagte Peregrine. Ich hatte meine Näharbeit beiseite gelegt und sah mir nun die niedlichen Welpen an, die um Sir Huberts Lieblingshündin herumtapsten. Alle vier waren den Kindern geschenkt worden, damit sie ›so schnell wie möglich aus dem Haus kommen, lieber heute als morgen‹.
»Gar nicht so übel, solange man sie nicht für Hunde hält«, sagte Gilbert und warf ihnen einen scheelen Blick zu.
»Ich finde sie niedlich. Die sehen einmal genauso aus wie Lion, nur größer.«
»Ganz meine Meinung. Ich habe nie eingesehen, wozu ein Hund nutze ist, der vorn und hinten gleich aussieht.«
»Er scheint den Unterschied zu kennen«, sagte ich und hob ein Hündchen hoch.
»Margaret! Die Kinder!« Ich mußte über seine vorwurfsvolle und entsetzte Miene lächeln. Irgendwie ist Gilbert noch immer Mönch, selbst nach so langer Zeit.
Kapitel 22
I n der Burgkapelle von Brokesford war es sehr kalt und düster, denn sie lag im ältesten Teil des Hauses, und ihre Steinmauern waren zwölf Fuß dick. Licht drang nur durch ein äußerst schmales Fenster herein, durch das sich kein Pfeil in das Heiligtum verirren konnte. Falls sie jemals weiß getüncht oder mit Heiligenbildnissen geschmückt gewesen war, so war das alles während eines früheren Jahrhunderts der Feuchtigkeit zum Opfer gefallen. Sie war zwar dem Palas angegliedert, aber das alte Gemäuer war geändert worden, um es späteren Anbauten anzupassen, und so war die Kapelle nur noch durch einen schmalen und unbequemen steinernen Gang zu erreichen und vom Leben im Palas so abgeschnitten, daß man sich in ihr noch einsamer vorkam.
Es war ein hohes Rund mit einer von Kerzenrauch geschwärzten Decke und Fliesen auf dem Fußboden, die kälter waren als Eisschollen. Die Kapelle enthielt kaum mehr als einen steinernen Altar mit einem altersgrauen Altartuch und ein paar billigen eisernen Kerzenhaltern. Doch was an kirchlichen Gerätschaften fehlte, wurde wettgemacht durch die Einlagerung von alten Möbeln, ausbesserungsbedürftigen Pferdegeschirren und allem an Papier und Schreibutensilien, was das Haus besaß. Einen Geist hatte es hier auch einmal gegeben, doch selbst der hatte das Weite gesucht. Der Herr von Brokesford mochte betrunkene Kaplane und leichte Bußen, was bedeutete, daß ihm von Zeit zu Zeit einer verlorenging. In der Regel fiel der Kaplan die steile Außentreppe am Turm hinunter oder im Dunkeln in den Fischteich, zuweilen litt er aber auch nur an einem Zuviel an Gallensäften, die ihn gelb werden ließen, unfähig zur Ausübung des geistlichen Amtes. Doch insgesamt trug dieser Verschleiß an
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