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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Schreiben hat mir meine Mutter beigebracht, aber Bruder Malachi hat mir gesagt, was ich aufschreiben soll«, antwortete Cecily.
    »Bruder Malachi! Dieser verdammte Hetzer, dieser – Quacksalber!« polterte Sir Hubert.
    »Cecily«, fragte ich, »woher hat er gewußt, was er dir sagen mußte?«
    »Ich habe ihn gefragt«, erwiderte sie. »Als ich mich mit ihm über den Stein der Weisen unterhalten habe – du weißt doch, Mutter, ich wollte einen besonderen Gefallen von ihm, aber er hatte den Stein noch nicht ganz. Ich habe ihn gefragt, was ist, falls meine Heirat abgesprochen wird, ehe er den Stein fertig hat, und da hat er gesagt, nach dem Gesetz kann niemand ohne seine Einwilligung verheiratet werden. Er hat gesagt, falls ich nicht will, kann ich meinen Jungfernkranz gegen Feuer und Schwert verteidigen.« Ich seufzte tief.
    »Das hört sich ganz nach Malachi an«, sagte ich.
    »Und er hat gesagt, falls ich nicht gegen Feuer und Schwert ankomme, soll ich Bedingungen stellen. Er hat mir aufgezählt, wie ich das machen soll. Aber das Aufschreiben war meine Idee.«
    »Vermutlich ist der Handel damit zunichte«, sagte Sir Hubert, ließ sich auf die Bank fallen und hielt sich den Kopf. »Jetzt, da Ihr wißt, wie sie ist. Unnatürlich. Wild. Kein Kloster in ganz England wird die behalten wollen.«
    »Sir Hubert, Ihr vergeßt, daß ich sie das erstemal in einem Baumwipfel erblickt habe.«
    Cecily setzte sich neben mich auf die Bank. Jetzt erst bemerkte ich die Schuhe unter ihrem langen Kleidersaum. Die gräßlichen, barbarisch grünen, die ihr die Dorfbewohner geschenkt hatten. »Cecily, was steht auf dem Papier?« fragte ich.
    »Laßt mich Euch vorlesen, gute Dame Margaret«, sagte Sir Ralph. »Und laßt mich Euch versichern, daß ich gewillt bin, auf jede Bedingung einzugehen, vorausgesetzt, Ihr und Sir Gilbert seid es auch.« Ich nickte stumm, denn zum Reden reichte die Luft nicht.
    »›Bedingung Numero eins: Cecily Kendall wird nicht verheiratet, ehe sie nicht mindestens sechzehn Jahre alt ist.
    Bedingung Numero zwei: Falls sich Cecily Kendall bis dahin körperlich so verändert hat, daß sie nicht mehr zur Ehe taugt, wird sie nicht verheiratet.
    Bedingung Numero drei: Cecily Kendall wird nur mit einem Mann verheiratet, der sie über alles liebt.‹ Dame Margaret, Ihr müßt zugeben, das sind sehr vernünftige Bedingungen.« Bruder Malachi, du Elender, dachte ich. Welche Flausen hast du ihr in den Kopf gesetzt? Ich kenne meine Cecily. Sie glaubt, sechzehn sei unsäglich alt und komme nie. Und sie erhofft sich natürlich, daß sie lange vorher in einen Jungen verwandelt worden ist und sich aus der Ehe herauswinden kann. Darum hat sie Sir Hubert ihre Einwilligung gegeben.
    »Cecily, willst du das wirklich?«
    »Altartücher sticken ist doch nicht ganz meine Sache, Mutter. Darum will ich auch nicht den Schleier nehmen. Und wenn ich mit sechzehn noch nicht umgewandelt bin, dann bin ich zu alt, um noch Nutzen daraus zu ziehen, und kann genausogut heiraten. Denys ist besser als Walter oder Peter Wengrave.«
    »Ich möchte auch verlobt werden!« zeterte ihre Schwester.
    »Sei still!« sagte ich. »Sonst geht dein Wunsch in Erfüllung und…« Ein schauerlicher Schrei aus dem Söller unterbrach mich. Ehe jemand die Treppe hochstürzen konnte, kam auch schon Mutter Sarah mit vor Entsetzen bleichem Gesicht heruntergelaufen. »Lady Petronilla!« schrie sie. »Sie hat den Kleinen geraubt!«

Kapitel 25
    L ady Petronilla spürte, daß die gute, die schnelle Zeit kam, in der ihr tausenderlei Gedanken auf einmal durch den Kopf schossen. Sie war so viel besser als die langsame, die mutlose Zeit, wenn sie in zähflüssigem Sirup schwamm, sich zur Kugel zusammenrollte und nur noch sterben wollte. Jetzt durchzuckten sie Blitze, durchzuckten sie Eingebungen, und die Kraft kehrte in ihre Glieder zurück. Ah! Von unten drangen aufgeblasene Argumente und Frauenweinen zu ihr hoch. Draußen hörte sie Menschen, Pferde. Sie hörte die Vögel im Obstgarten. Ah! Sie war in den Vögeln und suchte nach wurmstichigem Obst, dann war sie der Wurm und sah vor ihrem Loch ein großes schwarzes Auge und einen pickenden Schnabel. Dann war sie blitzschnell wieder in ihrem eigenen Leib. Was war das für ein Glucksen und Murmeln? Die Quelle, immer die Quelle. Im Weiher eine Frau, grün von Schleim, das Weiße ihrer Augen tief in den Höhlen, ihr Mund ein Loch, das Geheimnisse wisperte. Hört ihr sie singen, singen. Sie ruft mich.
    Die alte Frau schlief. Ei,

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