Die Zauberquelle
festen Boden, und viele Hände nahmen ihm seine Last ab, man klopfte ihm auf den Rücken und jubelte ihm zu.
»Ein Held! Ein Held!« erscholl der Ruf, und hinten aus der Menge rief jemand: »Das Mädchen verdient eine tüchtige Tracht Prügel!« und ein durchdringendes Stimmchen sagte: »Du bist ja gar nicht soviel größer als ich. Du hast gelogen.«
Er musterte die verdreckte, barfüßige kleine Gestalt und sagte: »Natürlich. Sonst wärst du nicht mitgekommen. Aber groß genug, um dich herunterzuholen, war ich doch, oder?« Aber jetzt liefen dem komischen rothaarigen Geschöpf die Tränen übers Gesicht.
»Cecily«, sagte Margaret bestimmt, »du mußt Master Denys danken, daß er dich gerettet hat.«
»Vielen D – D – Dank«, schluchzte Cecily.
»Was hast du bloß mit Elstereiern gewollt?« fragte der Junge.
»G – gar nichts. Die Elster hat Madames silbernen Knopf gestohlen und ist damit weggeflogen, und Madame war so betrübt…«
»Madame, deine Mutter?«
»N – n – nein, Madame, die mir beibringt, wie man eine Lady ist.« Denys, der Retter, konnte nicht anders, er warf den Kopf zurück und lachte Tränen. Das Gelächter lief durch die Menge. Lehrbuben und Gesellen lachten, Mistress Wengrave lachte, und sogar Margaret mußte gegen ihren Willen lachen. »Eine Lady, ha, ha!« hohnlachte der Vater des Jungen. Cecily jedoch wurde unter ihren Sommersprossen feuerrot. Sie stampfte mit dem nackten Fuß auf und schrie: »Und ich werde doch eine Lady, eines Tages bin ich eine vornehme Lady, eine ganz, ganz vornehme!« und alles lachte nur noch schallender – nur Master Denys, der Sohn des Richters, der lachte nicht mehr.
Kapitel 9
E s ging auf die Johannisnacht zu, das Datum des angeblichen Martyriums der heiligen Edburga. Sir Roger führte die Dorfbewohner in einer Prozession zu der nach Edburga benannten Quelle, denn er wollte die Vorstellung, daß Hethra oder ein anderes heidnisches Wesen in der Quelle der rauschenden Wasser hauste, ein für allemal austreiben. Vor ihm ging ein Junge in Weiß, der, sage und schreibe, das Silberkreuz vom Altar trug. Neben ihm schritt Sir Huberts erst halb betrunkener Kaplan und schwenkte ein Weihrauchgefäß. Hinter ihm flatterten die wacker bestickten Fahnen des heiligen Georg und des heiligen Markus, und dahinter schwankte auf einer hölzernen Trage, zusammen mit halb abgebrannten Kerzen, die bunt bemalte Statue Unserer Schmerzensreichen Jungfrau, die angeblich am Karfreitag weinte, was man aber nur sehen konnte, wenn man dazu tugendhaft genug war. Hinter den sechs stämmigen Burschen mit der Trage ritt die sonntäglich gekleidete Herrschaft aus der Burg von Brokesford. Ein albernes Unterfangen, dachte Sir Hubert, der gern seine Ruhe hatte. Aber dem Anliegen des Dorfpriesters, auch wenn er ihn selbst eingesetzt hatte, gebührte in diesem Fall Vorrang. Es handelte sich um eine religiöse Angelegenheit. Und Menschen, die sich in religiösen Angelegenheiten querlegten, wurden der Inquisition gemeldet. Der Mann ist eindeutig übergeschnappt, dachte Sir Hubert. Aber ich mache lieber mit. Soll er doch seinen Schrein am Wasser aufstellen. Schaden kann es nicht. Edburga oder Nixen, gehüpft wie gesprungen. Mit Gott jedoch verhielt es sich anders. Gott war wie er selbst und ließ um des lieben Friedens willen einiges über sich ergehen.
Hinter der Herrschaft kamen Schreiner mit einem Karren, der alles enthielt, was sie brauchten, um dem gnadenreichen Andenken der Heiligen einen kleinen Schrein zu errichten. Das liebevoll geschnitzte und bemalte Häuschen stand unter den Bauhölzern für das Fundament, und mittendrin sah man eine flache und häßlich bemalte heilige Edburga im Nonnenhabit. Hinter dem Karren schoben sich die Dorfbewohner mit Blumen in der Hand den schmalen Pfad entlang. Als die Spitze der Prozession den Wald betrat, begannen die Priester Dominus regnavit zu psalmodieren. Tiefer und tiefer ging es auf dem Moosteppich in den grünen Sommerwald, bis sie den furchterregenden Tempel aus uralten Bäumen erreichten. Und da plätscherte unter dem sich wölbenden Geäst auch schon die grüne Quelle, Wasser- und Lebensspender für das ganze Gut. Da stand ja auch der große Felsen mit den flatternden Überbleibseln alter Lumpen. Und da war der Priester, hob den Weihwasserwedel und spritzte Weihwasser in die Quelle, auf den Felsen und auf die besonnte Stelle, wo der Schrein aufgestellt werden sollte.
Die Männer aus dem Dorf und auch die Edelleute zogen den Hut und
Weitere Kostenlose Bücher