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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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singt und redet und schwere Sachen trägt, doch Verstand hat er keinen. Hildes andere Kinder waren groß und schön und klug, aber Gott nimmt, was IHM gefällt.
    »Wir haben Katzenjunge bekommen, und denen singt er den ganzen Tag vor. Ich bin froh, daß er so glücklich ist«, sagte Hilde mit einem Blick auf den Schuppen, an dem die Rosen so üppig blühten. »Als die Mutter des Windkindes mich gefragt hat, was sie tun soll, habe ich gesagt, sie solle sich mit guten Werken beschäftigen. Gott schickt uns Trost.« Untergehakt trugen wir die Körbe mit den sonnenwarmen Gartenfrüchten durch die Vorderpforte ins Haus.

    Es gibt etwas, was noch schwieriger zu bewerkstelligen ist, als ungebetene Verwandte zu beherbergen, nämlich ein Familienausflug aufs Land. Zunächst will keiner wirklich reisen, oder falls doch, dann lieber zu gelegenerer Zeit, oder niemand ist nach Packen zumute, oder sie wollen alle zuviel einpacken. Dann müssen Packesel und Treiber gemietet werden, und das ist auch ein großer Umstand. Wenigstens mußten wir nicht auf Mietpferden reiten, was wirklich lästig ist, weil wir uns dank der Burgunder, die unsere leere Geldkatze auffüllten, unsere Pferde wieder leisten und in die Stadt zurückholen konnten. Außerdem, sagt Gilberts Vater, zählt man auf einem Mietpferd zum Abschaum der Menschheit, und damit hätte er uns auf dem ganzen Weg nach Brokesford die Laune verdorben.
    Zunächst hielt uns Hugo auf. Er beschwerte sich, daß er die Erforschung unbekannterer Formen seiner Anbetung von Gottes Schöpfung noch nicht zu Ende gebracht hätte, denn die Hübscherinnen hätten einen Neuzugang, eine Riesin, und er wolle herausfinden, ob sie überall riesig gebaut sei und ob sie ihn in ihrer leidenschaftlichen Umarmung ersticken könne.
    »Ekelhaft«, sagte ich. »Eure Gelüste werden immer abartiger.«
    »Ihr erwartet doch nicht im Ernst, daß ich zu dieser langweiligen, anspruchsvollen Frau zurückkehre, wenn ich hier nicht einmal halb durch bin.« Glücklicherweise beendete Sir Hubert die Auseinandersetzung, indem er Hugo quer durch die Diele schleuderte, was Gilbert riesig freute.
    Dann quengelten die Mädchen. »Mama, Stiefgroßvaters Haus gefällt uns nicht. Es ist alles so häßlich und schmutzig und verfallen dort, und es regnet durch, und das letztemal hat es uns auch schon nicht gefallen.«
    »Diesmal wird es besser sein, und ehe ihr es euch verseht, sind wir wieder zu Hause.«
    »Warum reisen wir dann überhaupt?« fragte Cecily.
    »Ja, und Lady Petronilla mögen wir auch nicht. Sie ist gemein und böse, und sie kann uns nicht leiden.«
    »Das ist ganz anders geworden. Onkel Hugo mag euch jetzt, und Stiefgroßvater wird sie zwingen, nett zu sein. Außerdem sind Damien und Robert da.«
    »Damien! Den mögen wir! Wann heiratet er uns? Wir wachsen in einem fort.« Beide hegten eine leidenschaftliche Kleinmädchenliebe zu Damien, Sir Huberts Knappen, eine Liebe auf den ersten Blick. Sein sonniges Lächeln hatte sie bezaubert, desgleichen die Tatsache, daß er »sehr, sehr groß, aber nicht alt« war. Es hatte wohl auch damit zu tun, daß er daheim so viele Schwestern und Brüder hatte und deshalb wußte, wie er meine Mädchen nehmen mußte. Unseligerweise bezeugten sie ihre Liebe auf die merkwürdigste Weise, bewarfen ihn aus dem Söllerfenster mit Sachen, kniffen ihn in den Arm und hängten sich an seine Beine. Als ich das mitbekam, wurde mir zum erstenmal klar, daß sie ernstlich zu Ladys erzogen werden mußten. »Kein Mann verliebt sich in euch, wenn ihr ihn schlagt«, sagte ich zu ihnen, also gossen sie ihm Wasser in die Stiefel, und all das, weil sie ihn so abgöttisch liebten. Wieder einmal tat der Zaubername seine Wirkung, und sie begaben sich ans Packen – Berge von Kleidern und Haarbändern und anderen Dingen, mit denen sie Damiens Herz erobern wollten.
    »Vermutlich werde ich auf dieser Reise nicht gebraucht?« sagte Madame, und ich hatte nicht den leisesten Schimmer, ob sie nun mitkommen wollte oder nicht. Einziger Anhaltspunkt war ihre Gesichtsfarbe. Sie sah sehr bleich aus. Hielt sie das Ganze etwa für eine List, mit der man sie abschieben wollte?
    »Mehr denn je, Madame«, antwortete ich. »Die Mädchen brauchen auf dem Land weitaus mehr Unterricht als hier zu Hause.«
    »Um sich in vornehmen Häusern auszukennen, benötigt man ein umfassendes Verständnis des Rittertums. Von Mädchen ihres Alters kann man nicht erwarten, daß sie die Feinheiten schon beherrschen.« Sie glitt davon, um

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