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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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mußten, während wir alle innerlich kochten. Aber schließlich waren wir alle beritten und reisefertig und gaben einen gar prächtigen Zug ab. Und auch einen lauten, denn Hugo ging nicht nur in der Kleidung nach der neuesten Mode, sondern er hatte auch die allerneueste Rüstung, an der überall kleine silberne Schellen angebracht waren, desgleichen am Zügel, am Sattel und sogar am Schwanzriemen seines aufgeputzten Apfelschimmels. Bei jedem fröhlichen Klingeling merkte ich, wie dem alten Sir Hubert Dampf aus den Ohren kam, aber er ritt gelassen und würdig an der Spitze des Zuges, wie es sich für ein Familienoberhaupt gehörte, seine Jagdhunde zur Seite und seinen Sohn und Erben hinter sich.
    Gleich hinter den beiden ritt Gilbert, hochgewachsen und anmutig auf dem großen braunen Wallach, den er bei unserer Rückkehr aus Frankreich mitgebracht hatte. Vor ihm im Sattel saß der kleine Peregrine mit seiner roten Zipfelmütze, hielt sich an der schwarzen Mähne des Pferdes fest und bejubelte jede Sehenswürdigkeit. Ich ritt neben ihnen und war auf meiner kleinen mattweißen Stute mit dem großen Korb hinter meinem Sattel, in dem mein Schoßhund lang, ein Inbild weiblicher Leichtfertigkeit. Im Stroh unter Lions Kissen verbarg sich eine lange, flache sächsische Schatulle unschätzbaren Alters, die mit dem Staub der Jahrhunderte gefüllt war, einer Mischung aus Kaminasche und dem pudrigen Inhalt eines großen Bovistes. Das war Bruder Malachis letzter ›künstlerischer Schliff‹. Lion war alt und liebte sein Kissen so, daß er niemanden an seinen Korb heranlassen würde, ohne uns durch Gebell zu warnen. Die Mädchen folgten zu zweit auf einem großen Fuchs, und Madame saß aufrecht und würdevoll auf einer kleinen schwarzen Stute. Dahinter kam die Nachhut, bestehend aus Gepäck und Treibern. Der Zug war von bewaffneten Knechten aus Brokesford umringt, ohne die kein ehrbarer Mensch auf dieser schlechten Welt wohlbehalten reisen konnte.
    Wir ritten an hohen, bunt bemalten Häusern und Kirchen mit aufragenden Türmen vorbei, durch die Stadt, die ich so liebe, und dann durch das Bishopsgate hinaus in die sich weit erstreckende, sommerduftende Landschaft jenseits der Stadtmauern, und ich dachte nur eines: Je eher wir die Sache und damit Brokesford hinter uns haben, desto besser. Ich hatte ausreichend Grund für meine Abneigung gegen diesen Ort – selbst damals schon.

Kapitel 13
    D ie Burg von Brokesford sah noch genauso aus wie früher, wenn nicht noch ärger. Für mich hatte sie sich in der Erinnerung nie rosig verklärt, und die Zeit hatte diesen Eindruck nicht gemildert. Da stand sie, dräute düster über dem Dorf, ein elender verfallener Steinhaufen hinter einer vor sich hin bröckelnden Mauer, der Burggraben voller stinkender Abwässer. Alles ging für Pferde drauf. Dank der Pferde hatte man keine Dachziegel, und aus den Mauern fielen die Steine. Dank der Pferde waren die Wände nackt und kahl, abgesehen von Waffen und ausgestopften toten Tieren, in den Truhen herrschten die Motten und im Dorf Armut. Um genau zu sein: dank der Kriege und der Pferde. Dank Sir Huberts Versuchen, das vollkommene englische Schlachtroß zu züchten, Pferde, die anfangs kostspielig und empfindlich waren, die Stallknechte, Futter, Training und Rüstung erforderten und die dann in die Fremde gebracht und abgeschlachtet wurden. Natürlich wurde der Verlust – theoretisch – ersetzt, aber das Geld kam tropfenweise herein. Ruhm und Ehre und Sir Huberts Hauptleidenschaft zuliebe weidete auf den Wiesen von Brokesford nichts, was Milch, Felle oder Wolle gab, Obst und Korn wurden auf dem Markt verkauft, damit man sich Waffen- und Hufschmiede leisten konnte, und die Ställe waren besser in Schuß als das Haus.
    Als wir durch das Dorf ritten, sah es genauso ärmlich und vernachlässigt aus wie eh und je. Ein paar Frauen mit Säuglingen auf der Hüfte kamen an die Tür ihrer lehmbeworfenen, strohgedeckten Katen und neigten zur Begrüßung den Kopf. Alles, was Arme und Beine hatte, war in der Heuernte, wie wir in der Ferne sehen konnten. Augusthitze brütete über dem Land, und ich spürte, wie mir der Schweiß unter der Haube hervorrann. Hunde und kleine Jungen liefen neben uns her, als wir an der Kirche vorbeizogen, wo sich eine Handvoll alter Männer auf dem Friedhof sonnte. Sie kamen herbei, verneigten sich demütig und fragten, ob der Herr von Brokesford einen neuen Priester mitgebracht habe.
    »Bald, bald«, sagte dieser und verteilte ein

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