Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
abend war nicht mehr gut.«
    »Das kommt davon, wenn man bei den Hübscherinnen ißt«, sagte ich unbarmherzig.
    »Warum sollte ich mich nicht vergnügen, während ihr beide eine Anleihe herbeibetet. Das dürfte ein Weilchen dauern.« Hugo warf den letzten fettigen Rest in die frischen Binsen, und schon stürzten sich die Hunde darauf. Ich spürte, wie sich alles in mir verkrampfte. Meine schönen neuen Binsen. Meine saubere Tünche. Von flegelhaften, ungebetenen Besuchern beschmutzt. Hugo setzte sich auf und schlug ein blaubestrumpftes Bein über ein rotbestrumpftes. »Sag, Bruder, da du der Familienfachmann für Theologie bist, falls ich meine Bekenntnisse aufschreiben lasse, sollte ich mich dann häufiger in der Messe blicken lassen, ehe ich damit an die Öffentlichkeit gehe, oder sollte ich eine plötzliche Bekehrung erleben, eine Art Blitz aus heiterem Himmel?« Ich konnte richtig sehen, wie Gilbert mit den Zähnen knirschte. Und dann sprach er vorsichtig, damit er ja nicht in Versuchung kam, Hugo die Bank über den Kopf zu schlagen, was unseren Botengang verzögert hätte.
    »Besuch der Messe ist eine ausgezeichnete Taktik, Hugo, aber nur wenn du dich enthalten kannst, während der Erhebung der Hostie den Frauen nachzustellen.«
    »Hmpf. Das leuchtet mir nicht recht ein. Eine gutaussehende Frau ist eine Gabe Gottes, und ihr nachzustellen ist eine Art Andachtsübung.« Ich konnte sehen, wie Gilberts Nacken rot anlief, und zupfte ihn am Ärmel. Hugo fuhr fort: »Ich sehe das so: Da es im Himmel keine fleischlichen Beziehungen gibt und da Gott uns offenkundig für fleischliche Beziehungen bestimmt hat, ist es unsere Pflicht, sie hier auf Erden soviel wie möglich auszuüben.«
    »Das, Hugo, nennt sich die Sünde der Wollust.«
    »Ach, eine Sünde, ha? Meiner Seel, wer hätte das gedacht. Und dabei hatte ich alles so schön durchdacht. Vielleicht sollte ich die Theologie-Mode überspringen und mir meine Bekehrung für das Totenbett aufheben. Ja, ich hab's: Ich beichte alles und bereue und nehme die Kutte, und alle weinen. Außerdem ist es so noch viel heiliger.«
    »Was genau meinst du damit?«
    »Ich werde bis dahin doch viel mehr zu beichten haben, und wenn mir dann Gottes Gnade zuteil wird, bekomme ich mehr davon als andere Menschen.« Wellen der Wut umwaberten Gilbert wie Hitze über einem sommerlichen Kornfeld. Ich sah, wie er nach der Bank schielte, und zupfte ihn noch einmal am Ärmel. Er blickte mich durchdringend an, dann wieder Hugo. Alsdann knurrte er und machte auf den Hacken kehrt.
    »Mir kommt der Gedanke, daß der Blitz an jenem Tag den Falschen getroffen hat«, sagte er, während wir aus der Haustür traten.
    »Komisch, genau das habe ich auch gedacht«, sagte ich, aber da war die Tür bereits hinter uns zugeschlagen. Erst in Cornhill, als wir an der Schenke ›Zum Kardinalshut‹ vorbeigingen, hörte Gilbert auf, vor Wut zu schäumen und Selbstgespräche zu führen. Vom Leadenhall Market her stank es nach fauligem Fisch, während wir uns durch die Gosse behutsam zu Malachis und Hildes Haus vorarbeiteten. Ein Blick auf unsere Leichenbittermienen genügte, wir wurden ins Haus geschoben und mit Ale versorgt, bis sich Gilbert beruhigt hatte.
    »Bei der Hitze müßt ihr Durst haben. Trinkt von dem guten Braunbier, das Margaret gebraut hat. Seinesgleichen findet man in der ganzen Stadt nicht.« Mutter Hilde strahlte und schenkte uns nach. Eigentlich hatten wir beide vorgehabt, genüßlich alle ungewöhnlichen Geburten in der City durchzuhecheln, während Gilbert und Malachi den Inhalt des Briefes besprachen, der dann ganz zufällig das Versteck der Schatulle mit den Schenkungsurkunden verraten würde.
    »Das weiß ich sehr wohl, du alter Dieb, schließlich habe ich das Fäßchen höchstpersönlich hierhergeschleppt.«
    »Es gibt nichts, was das Hirn besser ölt. Und nach euren Mienen zu urteilen, ist es bei euch dringend nötig. Gilbert, du siehst wie eine Gewitterwolke aus. Was hast du wieder angestellt?«
    »Mit Hugo über Theologie disputiert.«
    Malachi lachte schallend. »Hoffnungslos, hoffnungslos, aber das weißt du doch! Komm, an die Arbeit. Ich muß euch allen einen Schatz zeigen, den ich gefunden habe. Hoch mit dir, Margaret, und dann seht euch das an.« Ich stand von meinem Platz auf der langen, niedrigen Truhe auf, die gleichzeitig als Bank diente, und trat beiseite, damit Malachi sie öffnen und darin herumsuchen konnte. »Hmm, muß irgendwo unten vergraben sein«, sagte er und tat eine

Weitere Kostenlose Bücher