Die Zauberquelle
paar Pennys. »Ich soll mich noch vor dem St. Augustinstag mit dem Bischof beraten, und bis dahin kommt mein eigener Beichtvater sonntags regelmäßig zu euch. Schließlich sollt ihr nicht ohne geistlichen Beistand sein.« Und als wir auf der staubigen Straße die letzte Abzweigung zum Burgtor einschlugen, sagte er zu Gilbert: »Als ob denen überhaupt an geistlichem Beistand gelegen wäre. Doch seit Sir Roger in den Weiher gefallen ist, wünscht sich ein Teil mehr Christlichkeit – Fasten, Geißelungen, Vigilien die ganze Nacht durch –, die Art Sachen, mit denen du mich früher so aufgebracht hast.« Ich sah, wie sich Gilberts Kinnmuskeln verkrampften. Sein Vater war ihm in religiösen Angelegenheiten schon immer zu lasch gewesen.
»Ein Teil? Und was ist mit dem anderen?«
»Ach, die beten den Weiher an. Genau wie früher.«
»Und wo steckt meine vielliebe Gemahlin? Ich hätte erwartet, daß sie mich begrüßt«, trompetete Hugo und marschierte in den Palas. Das Gepäck war fortgeschafft worden, die Treiber mit den Mauleseln hatte man nach Haus geschickt, und Hugo blieb in der Mitte des großen Saales stehen und blickte erwartungsvoll die Söllertreppe hoch. Im Sommer hielten sich die Hühner nicht im Palas auf, aber zahlreiche Jagdhunde räkelten sich in den dreckigen Binsen. Hier würde ich am liebsten nur mit Trippen gehen, aber das wäre eine Beleidigung, daher hatte ich meine alten Gartenschuhe mitgebracht. Gute Sachen haben in diesem Haus nichts verloren. Die Schleppe meines Sonntagskleides stecke ich hoch, damit sie den Fußboden nicht berührt, und lasse sie nur in der Kapelle herunter, die in der Regel so leer steht, daß sogar die Hunde sie vergessen haben und ihre Notdurft woanders verrichten.
Oben an den Dachsparren über der Feuerstelle hingen Schinken und Lendenstücke vom Wildbret im Rauch, der Tag und Nacht durch die Luftlöcher abzieht. Für die Leute hier ist es ein Festessen, wenn sie die Keule eines längst verstorbenen Tieres herunterholen, die vor lauter Salz und Rauch innen wie außen hart, grün und schleimig ist, und sie dann ungemein feierlich aufschneiden und verspeisen. Ich kann keine toten Tiere essen, daher hält man mich für abartig, aber mir würden die Augen dieser bedauernswerten Geschöpfe im Traum erscheinen, falls ich davon kosten müßte, also lade ich sie mir lieber nicht aufs Gewissen. Bei meinem letzten Besuch habe ich einen großen Streit ausgelöst, bei dem es um das Wesen von Austern ging, ein rein theoretischer Disput, da es hier keine Austern gibt. Ich sagte, falls es sie gäbe, würde ich sie nicht essen, weil sie ihre Muscheln öffnen und schließen, also könnten sie, ohne daß ich es wüßte, auch irgendwo verborgen Augen haben, und Sir Hugo sagte, daß Gilbert mir diese Flausen mit Prügel austreiben solle, aber der weigerte sich, und es kam zu einer Meinungsverschiedenheit, bei der Möbel durch die Luft flogen. In anderen Häusern spielt man nach dem Abendessen Schach oder lauscht der Musik, doch das ist in Brokesford nicht Sitte. In der großen Feuerstelle mitten im Palas brannte kein Feuer, denn wegen der Hitze wurde draußen auf dem Hof gekocht, und dort hörte ich ein Schwein quieken, das zur Feier der Heimkunft des alten Lord geschlachtet wurde. Der Magen drehte sich mir um, und ich fragte mich flüchtig, ob die heute gelegten Eier schon alle aufgegessen wären.
Da Hugo Lady Petronilla nicht erblickte, rief er nach ihr die Treppe hoch. Seine Stimme hallte laut, denn die Söllertreppe ist aus Stein und wie eine Röhre oder eine ansteigende Höhle gebaut, und der Schall trägt weit, wenn die Türen oben und unten geöffnet sind. Es ist eine Wendeltreppe, die in die Wand eingebaut ist und Schlitze hat, damit man Pfeile oder siedendes Öl auf Menschen herabregnen lassen kann, die unerwünscht sind.
Die Türen am Kopf und am Fuß – dicke nietenbeschlagene Eiche – weisen Narben aus längst vergangenen Zeiten auf, als ungebetene Gäste sie mit Streitäxten bearbeitet haben. Ich meinerseits ziehe ein angenehmes, gastfreundliches Haus vor, das luftig und hell ist und richtige Glasfenster, eine anheimelnde Holztäfelung und einen sauberen weißen Anstrich hat. Kurzum, genau das, was ich habe und auf keinen Fall verpfänden möchte, um auch nur einen Stein dieser düsteren elenden Burg zu retten.
Während ich mich um Lions Korb und Peregrine kümmerte, der noch zu klein ist, um sauber und schmutzig auseinanderhalten zu können und in den Binsen nach
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