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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Ecke neben den Bienenkörben wuchsen wunderbare Kräuter. Sie sahen aus wie wirres Unkraut, und Mutter Hilde hatte sie aus Samen gezogen, die sie von der Pilgerreise in der Fremde zurückgebracht hatte, als sie und ich Gilbert aus dem französischen Verlies befreiten. Hinter dem Flechtzaun ihres Hühnerhofs hörte man neben zufriedenem Gegacker ein rauhes Kreischen.
    »Mutter Hilde, ich wollte dich schon lange frage, woher du den Pfau hast?«
    »Er ist ein Geschenk, Margaret, aber er ist so wunderschön, daß ich ihn einfach nicht aufessen kann. Und dabei ist mein Hahn so eifersüchtig. O je, auf meinem Hühnerhof spielt sich dieser Tage ein Drama ab. Aber ich hole dir ein paar Schwanzfedern für die Kinder.« Während ich an den zeltartig aufgestellten Stangen Bohnen pflückte, betrat Mutter Hilde den Hühnerhof und kam mit einer Handvoll Federn wieder heraus. »Ich weiß auch nicht, ob er sie einfach verliert oder ob der Hahn sie ihm ausrupft, aber noch hat er welche.« Ich hielt sie mir an den Kopf.
    »Sieh mal, Mutter Hilde, bin ich so nicht schön und vornehm?« Und dabei hob ich die Nase und ahmte einen höfischen Gecken nach.
    »Für mich bist du immer schön, Margaret. Ei, ei, sind die aber hübsch. Wäre es nicht elegant, wenn die Färber Tuch so einfärben könnten. Ich würde es jeden Tag tragen.« Und dann füllte sie ihren Korb mit Sachen, die an diesem Tag reif geworden waren: Zwiebeln, Holzäpfel und eine halbe Reihe Rübchen.
    »Wie ich sehe, bist du wieder guter Hoffnung«, sagte sie.
    »Woher weißt du das so früh, wenn ich mir bis zu dieser Woche selbst nicht sicher gewesen bin?«
    »Zum einen strahlt dein Gesicht, und deine Augen leuchten, und zum anderen hat es mir Malachi verraten«, gab sie zurück.
    »Ach, Mutter Hilde, und ich dachte schon, deine übernatürlichen Kräfte hätten noch zugenommen.«
    »Noch immer nicht genug. Margaret, kannst du dir vorstellen, daß ich mich täuschen lasse? Von einer Scheinschwangerschaft. Ich hatte schon davon gehört, aber noch nie eine gesehen.«
    »Eine Scheinschwangerschaft?«
    »Ja, und überhaupt kein Säugling. Die gute Frau war einfach aufgebläht, alles versetzte Winde. Das Kind wollte und wollte nicht kommen. Im zehnten Monat haben die Wehen eingesetzt, und man hat mich gerufen. Sie hat geschrien, hat geschwitzt, ach, alles hat so echt gewirkt! Aber als ich sie auf den Gebärstuhl gesetzt und unter ihren Röcken nach dem Köpfchen getastet habe, war da nichts. Der Geburtskanal war zu wie bei einer Frau, die noch nie geboren hat. ›Da ist gar kein Kind‹, habe ich gesagt, und sie hat mich angeschrien. ›Ihr habt es gestohlen!‹ hat sie gekreischt. Zu meinem Glück waren ein Dutzend Zeugen zugegen. ›Da ist kein Kind, da ist nichts‹, habe ich zu ihrer Mutter gesagt. ›Überzeugt Euch selbst.‹ ›Aber vergangene Woche habe ich noch gefühlt, wie es sich bewegt hat.‹ ›Das waren versetzte Winde‹, habe ich gesagt. ›Es ist eine Scheinschwangerschaft. Legt Euren Kopf auf ihren Bauch und lauscht auf den Herzschlag. Da ist keiner.‹ Sie hat gelauscht, alle haben gelauscht, und die Frau hat getobt und alle beschimpft. Sie ist durchgedreht, Margaret, hatte Augen wie der Leibhaftige. Und dann haben auch die Wehen aufgehört, und ich bin gegangen, während sie geheult hat. Wie ich höre, ist sie jetzt vollends wahnsinnig; sie behauptet, noch immer schwanger zu sein, die Winde sind noch in ihr, sie ist rund wie im neunten Monat, und dabei geht sie jetzt in den zwölften. Zwölf Monate! Unmöglich! Aber sie behauptet, es wird ein Wunderkind, weil es so lange zum Reifen braucht. Gott bewahre mich vor weiteren Wunderkindern, Margaret. Fast hätte man mich als Hexe festgenommen.«
    »So etwas Sonderbares ist mir noch nie zu Ohren gekommen. Wodurch, meinst du, entsteht solch ein Windkind?«
    »Durch Gott. Oder den Teufel. Oder vielleicht durch das Verlangen nach einem Kind. Die Frau war unfruchtbar und ihr Mann unzufrieden. Vielleicht hatte sie sich auch mit irgendeinem Wundermittel oder Hexenzauber aufgebläht.« Aus dem Schuppen kam Singsang und Gesumm, das sich mit dem Bienengesumm und dem Vogelgezwitscher vermischte.
    »Ist Peter wieder im Schuppen?« fragte ich. Mutter Hilde war einst verheiratet, aber die Pest hat ihr den Mann und all ihre Kinder bis auf Peter geraubt, und der ist nicht richtig im Kopf. Er ist vollkommen formlos und klein, sieht aus wie ein Troll und hat merkwürdige Augen. Aber er ist ein freundlicher Bursche, der ein wenig

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