Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
Knochen suchte, erschien Lady Petronillas alte Kinderfrau am Fuß der Treppe.
    »Mylady schickt ihre untertänigste Entschuldigung«, sagte sie und machte dabei einen tiefen Knicks vor Sir Hugo. »Sie ist in besonderen Umständen und zu schwach zum Aufstehen.« Hinter mir spürte ich Madames Mißbilligung. Ich wußte, was sie dachte: Selbst halbtot sollte die Hausherrin noch aufstehen, um ihre Gäste zu begrüßen und ihrem Ehemann und eventuell vorbeischauenden Rittern mit eigener weißer Hand die Füße zu waschen. War sie dreiviertel tot, sollte sie ihre pucelles schicken. In Brokesford gab es natürlich keine pucelles. Welche Familie würde schon Mädchen in einen Haushalt schicken, wo es keine vornehme Lady gab, die sie unterwies? Pagen gab es in Brokesford auch nicht, und das aus demselben Grund. Lady Petronilla war für mich immer jemand gewesen, der nur den eigenen Vorteil suchte, seinen Pflichten jedoch nicht nachkam. Und das ist noch das Schmeichelhafteste, was ich über sie sagen kann, wenn man bedenkt, was sie mir bei meinem letzten Besuch antun wollte.
    »In besonderen Umständen?« sagte Hugo mit erwartungsfrohem Blick.
    »In besonderen Umständen«, sagte die Gevatterin Wilmot, und bei der unterschwelligen Andeutung zitterten die Haare an ihrem Kinn.
    »Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben«, knurrte der alte Lord. Doch Hugo gehörte zu den leichtgläubigen Menschen, er glaubte genau das, was er glauben sollte, und sprang die Treppe hoch.
    »Wo ist Damien?« fragte Cecily und blickte sich erwartungsvoll um, als der spöttische Robert, Sir Hugos Knappe, vom Training an der Stechpuppe zurückkam. Er lächelte boshaft. »Sir Damien wandelt auf Freiersfüßen, der abtrünnige Halunke«, antwortete er. »Ihr werdet mit mir vorliebnehmen müssen.«
    »Sir Damien?« fragte ich in der Hoffnung, das Unwetter abzuwenden.
    »Sir, und das höchst ungerechterweise, wenn ich so sagen darf. Vor den Toren von Montrouge suchte der König Freiwillige für einen Auftrag, der den sicheren Tod bedeutete, und versprach dafür den sofortigen Ritterschlag. Der junge Colart d'Ambréticourt konnte seltsamerweise seinen Helm nicht finden und mußte sich die Ehre versagen. Ich hatte bedauerlicherweise meinen Brustharnisch verlegt. Damien, dieser Streber, griff mit beiden Händen zu. Fortuna wollte es, daß außer ihm niemand zurückkehrte, und so ist er nun ein Held, steht beim König in Gunst, ist Ritter und hat es obendrein noch zu einem hübschen kleinen Besitz gebracht. Eine abscheuliche Wendung des Schicksals und ganz und gar nicht durch seine angeborenen Qualitäten zu rechtfertigen.«
    »Er ist Ritter und ist nicht gekommen, um mich auf seinem weißen Roß zu holen«, sagte Cecily verbittert.
    »Mich hätte er geholt«, sagte Alison, und Cecily stampfte mit dem Fuß auf.
    »Wie heißt die Lady?«
    »Rose, die zweite Tochter von Sir Thomas de Montagu.«
    »Ich hasse sie«, sagte Alison.
    »Er hat mich verraten!« schrie Cecily. »Nie werde ich einen anderen lieben! Seine Grausamkeit bricht mir das Herz!«
    »Ich bin gewiß viel hübscher«, sagte Alison.
    »Er hätte auf mich warten sollen«, sagte Cecily.
    »Wenn ich erwachsen bin, zeig ich's ihm«, sagte Alison.
    »Das wirst du nicht tun«, sagte ich. »Du wirst dich benehmen.« Aber beide Schwestern brüllten los. Madame legte Alison die kühle weiße Hand auf die Schulter.
    »In der Regel geht eine Lady ins Kloster, wenn ihre einzig wahre Liebe sie verraten hat«, sagte sie.
    »Ins Kloster?« sagte Alison. »Meine Haare sind zu hübsch zum Abschneiden.«
    »Was bleibt mir anderes übrig? Ich widme mich nur noch dem Gebet und der Kontemplation«, verkündete Cecily. Ein eigenartiges, ironisches Lächeln huschte über Madames Gesicht.
    »So sei es«, sagte sie. »Dann beginnt damit, Euch zu demütigen. Wie wäre es, wenn Ihr fürs erste Eure Sachen selbst aufheben würdet?«
    »Ich will lieber den Armen Almosen bringen.«
    »Bei Euch, Cécile, wäre das Stolz«, sagte Madame mit ungerührter Miene. »Aber vielleicht könnt Ihr erst einmal dem Almosenpfleger des Hausherrn die Körbe tragen.« Die Konfrontation zwischen Madames idealisierter Sicht des Rittertums und der Wirklichkeit dieser Höhle hatte einen gewissen Reiz. Der Besuch ließ sich gut an.
    »Der Hausherr hat keinen Almosenpfleger«, sagte ich.
    »Nun gut, dann seinem Kaplan, wenn er heute nach dem Abendessen die übriggebliebenen Brotscheiben an die Armen verteilt.«
    »Der Kaplan ist ein Trunkenbold und

Weitere Kostenlose Bücher