Die Zauberquelle
rechtzeitig einfangen. Der Herr von Brokesford sollte ihnen nicht in einem Anfall von Wut Old Brownie wegnehmen.
Jeden Morgen, wenn die Sterne am Himmel verblaßten, erhob sich der Herr von Brokesford, zog die Bettvorhänge auf und brüllte die Knechte an, die zu Füßen seines Bettes schliefen: »Langschläfer, Faulpelze, rührt euch!« Zu jeder Seite des Bettes befand sich am Kopfende eine Sitzstange. Auf einer saßen seine Lieblingsfalken, auf der anderen hingen seine Kleider für den kommenden Tag, nein, für alle Tage, da er nicht viel vom Wechseln hielt. An der Wand gegenüber des Bettes befanden sich zwei weitere Sitzstangen, über einer hing sein Kettenhemd wie Wäsche, die man zum Trocknen aufgehängt hat. Darunter stand eine lange niedrige Truhe mit seinem Helm und Schwert, falls mitten in der Nacht ein Überfall drohte und der Bergfried abgeriegelt werden mußte. Dort hatte schon sein Vater sein Schwert hingelegt und davor dessen Vater und dessen Vater auch, daher sah er keinen Grund, daran etwas zu ändern, nur weil die Gefahr eines Überfalls geringer geworden war.
Während ein Knecht seine Kleider herunternahm und ausbürstete, holte der andere eine Fußmatte und legte sie in die Binsen zwischen Bett und Fenster. Auf die stellte sich der alte Lord, nackt bis auf die Nachtmütze, vor das unverglaste Fenster und genoß in tiefen Zügen die frische Morgenluft. Winters wie sommers, nie änderte sich etwas an dem Ritual. Wenn er die eisige, feuchte Luft einatmete, sagte er immer: »Ah, frische Luft. Das macht stark. Was für ein prächtiger neuer Tag.« Und beim Atmen überlegte er, wie er obsiegen, wie er seine Verwandtschaft schikanieren, wie er sein kleines Königreich regieren könnte. In diesem Augenblick, oder wenn seine Knechte niederknieten, um ihm die Beinlinge anzuziehen oder die Nesteln zu schließen, pflegten seine nichtsnutzigen Söhne, die der Hahnenschrei geweckt hatte, seine Kammer zu betreten und, nach Alter aufgereiht, vor ihm niederzuknien und ihm als Begrüßung und Huldigung die Hand zu küssen.
»Schon wieder zu spät, ihr Kälber«, knurrte er, als Hugo halb angezogen auf die Knie fiel und Gilbert sich unter dem niedrigen steinernen Türbogen duckte. An diesem Morgen war die Luft nicht so lieblich, nicht so lebensspendend gewesen. Er hatte an seine Bäume gedacht, an die heimtückischen Mönche von Wymondley und an die hinterlistigen Advokaten, die niemals in voller Rüstung von vorn angriffen, sondern sich von hinten anschlichen wie eine gefährliche Schlange, um mit Gift und Verrat zu arbeiten. Ah, nun war Gilbert an der Reihe. Warum reizte der ihn nur immer so? Machte das die lange Nase seiner Mutter und diese hochfahrende, spöttische Art, die ihr auch zu eigen gewesen war und die sie Gilbert zusammen mit ihrem hohen Wuchs und ihrem dunklen Haar vererbt hatte? Hugo, also der war mehr das Abbild eines Mannes, das heißt sein Ebenbild, bevor er grau geworden war: blond, untersetzt, kräftig. Der belastete sich nicht mit zu vielen Gedanken und nutzlosen Tagträumereien. Zumindest bis zu dieser letzten Modetorheit, denn nun kleidete sich Hugo wie ein Geck und schlug sein Rad wie ein Tanzmeister. Pfui. Den alten Mann schauderte es vor Verachtung. Gilbert stand auf, und der Ausdruck auf seinem Gesicht verriet dem alten Mann, daß der Sohn sein Mißvergnügen bemerkt hatte. Pech gehabt. Aber das schadete gar nichts.
»Heiaho, ich muß los. Kommst du mit, Gilbert?«
»Wohin willst du?«
»Beim Weiher soll ein Succubus umgehen. Den will ich jagen.«
»Was soll das?« knurrte der alte Mann, während er den Kopf durch den Halsausschnitt seines Unterhemdes steckte.
»Ich sammle irdische Freuden für meine Bekehrung auf dem Totenbett. Und niemand, wirklich niemand spendet größere irdische Lust als ein Succubus. Das hat mir der Bursche aus dem Dorf erzählt. Unbeschreibliches Entzücken, saugt einem Mann den Lebenssaft aus, zumindest vorübergehend.«
»Der Succubus hat versucht, ihn umzubringen.«
»Ha! Das war doch nur ein Bauer. Ich bin vorbereitet. Und darum habe ich mir gedacht, du kommst mit, Gilbert. Als Rückendeckung sozusagen. Du hältst dein Schwert bereit, falls sie versucht, mich vor Lust umzubringen. Uff! Ha! Nur daß ich dann nicht mehr die Kutte nehmen und meine Sünden bereuen kann.«
»Hugo, ich weigere mich, den Kuppler für einen Succubus zu spielen.«
»He, komm, so war es doch nicht gemeint. Wozu ist ein Bruder sonst gut?«
»Und was willst du mit dem Rest
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