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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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des Tages anfangen, falls du dieses Wesen nicht findest?« fragte der alte Mann, indes der Knecht ihm die Kotta zurechtzog und ihm den Surkot hinhielt, so daß er mit den Armen hineinschlüpfen konnte.
    »Ach, vermutlich zu Mistress Bets Ausschank reiten. Ein Mann hat gewisse Bedürfnisse, und meine Frau taugt zu rein gar nichts mehr, seit sie ›in besonderen Umständen‹ ist.« Und schon polterte er die Treppe hinunter, und sein munteres Pfeifen hallte aus dem Treppenschacht zu ihnen hoch.
    »Den ganzen Tag fort, eh?« sagte der alte Mann und warf seinem zweiten Sohn einen Blick zu.
    »Genau das denke ich auch«, sagte Gilbert.
    »Wat, laß John unsere Pferde satteln. Wir wollen auch den ganzen Tag fort.«
    »In Geschäften mit dem Bischof wegen des neuen Priesters«, setzte Gilbert hinzu, obwohl das kaum nötig war.

Kapitel 15
    L ion hob kaum den Kopf, als Gilbert unter ihm nach den beiden säuberlich verpackten Bündeln suchte, die obendrein noch in Segeltuch eingenäht waren, damit sich niemand daran zu schaffen machte.
    »Er ist zu alt für einen Wachhund, ihr solltet ihm den Gnadenstoß geben«, sagte Sir Hubert.
    »Margaret will nichts davon wissen. Sie liebt den alten Hund.«
    »Margaret dies, Margaret das. Du läßt deine Frau zu sehr gewähren. Sie ist verwöhnt.«
    »Verwöhnt, wie denn? Hat sie etwa einen Platz am Hofe des Herzogs verlangt und den dann hingeworfen? Hat sie neue Kleider bestellt, die wir uns nicht leisten können? Und kämpft sie nicht wie eine Löwin um ihre Lieben?« Gilbert hievte das flache rechteckige Bündel auf die Schulter. Sein Vater nahm das lange flache mit den beiden Schaufeln, die zusammen mit einem Brett verpackt waren, damit man sie nicht an der Form erkannte.
    »Das Hausgesinde gehorcht ihr nicht. Diese sogenannte Madame ist ein Ungeheuer.« Sie waren bereits die halbe Söllertreppe hinunter.
    »Madame zählt schwerlich zum Hausgesinde. Aber sogar Ihr müßt zugeben, daß sie die Mädchen bewundernswert an die Kandare nimmt.« Gilbert verspürte ein seltsames Gefühl von Genugtuung. Heute war sein Vater ihm gegenüber ungemein gnädig gelaunt. Endlich unternahmen sie einmal etwas gemeinsam und knurrten sich nicht an wie Hunde, die sich gegenseitig an die Kehle wollen. »Cecily Kendall, das kleine Biest, stickt ein Altartuch. Wer hätte das gedacht? Ha!« Sein Vater warf den Kopf zurück und lachte. Es war ein grimmiges Lachen, irgendwie zwischen Bellen und Schnauben, und es hielt auch nicht lange vor. Gilberts kluges langes Gesicht blieb ungerührt, doch er spürte, daß ihm dabei das Herz aufging. Er hatte eine Vision von seinem Vater, wie er auf seinem großen Stuhl auf der Estrade saß, seine beiden Falken hinter sich an der Wand und all seine Jagdhunde unter dem Tisch zu seinen Füßen. Und er sagte zu seinen Gästen: »Mein zweiter Sohn ist Gelehrter. Ich muß schon sagen, die Gelehrsamkeit hat etwas für sich.«

    Sie schlugen die Hauptstraße nach Hertford ein, kehrten aber heimlich und auf Umwegen durch unbewohntes Brachland zurück und ritten auf einem Pfad in den Wald, der nur ihnen bekannt war. Eine aufgestörte Hirschkuh sprang vor ihnen fort und versuchte, sie von ihren beiden Kälbern abzulenken, die sich ins nahe Gebüsch duckten. Aber heute war kein Jagdtag. In einem Baum über dem Pfad hielten Saatkrähen eine Beratung ab. Viel Geschrei und wenig Wolle, dachte Gilbert, genau wie bei richtigen Beratungen. Er sah zu seinem Vater hinüber, der aufrecht und gedrungen im Sattel saß, und las ihm an den Augen ab, daß der alte Mann genau das gleiche dachte.
    »Irgendwann im Herbst oder Winter kommt der Herzog heim«, sagte Sir Hubert.
    »Falls die Franzosen das restliche Lösegeld für König Jean aufbringen. Bis dahin sitzt er in Calais fest.«
    »Aber auf großem Fuße«, knurrte der alte Mann. Sein Gesicht war wettergegerbt, Bart und Haare fast schlohweiß, aber noch konnte er den Bihänder schwingen wie eine Feder, den ganzen Tag bis an die Zähne gerüstet durchreiten und die ganze Nachtwache halten, ohne einzunicken. Seine Augen waren von dem hellen Blau jener, die vielfachen Tod gesehen und ihn ohne jede Gewissensbisse selbst ausgeteilt haben. Schon sein Schatten versetzte Bauern in Angst und Schrecken. Ein Herz aus Eis und viel Kraft, bis jetzt hat er anscheinend keine schwachen Stellen gezeigt, dachte Gilbert. Komisch, daß Eichen den Weg zu seinem Herzen gefunden haben. Eichen und Peregrine.
    Sie gelangten aus dem Mischwald in den Eichenforst. Es war

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