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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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bin?« Der Kanoniker schlug sein Buch auf und las die Beschwörungsformel, mit der man Behemoth loswurde.
    »In nomine Patris et Filii et Spiritu Sancti! Hei, Heloym, Sother, Emmanuel, Sabaoth…«
    »Hatschi, hatschi, hatschi!« Der Weihrauch hatte einen Niesanfall ausgelöst.
    »Das ist der Dämon Behemoth, der in Form von Rotz aus der Nase ausfährt! Agia, Thetragrammaton, Agyos!«
    Ein gräßlicher Aufschrei vom Brett. »Warum sieht mir keiner zu? Wie könnt Ihr es wagen zu tratschen, wenn ich exorziert werde! Ich werde Euch die Zungen abschneiden lassen, hört Ihr, jedem einzelnen von Euch! Ich stamme aus einer berühmten Familie! Ich verdiene mehr als nur einen einzigen jämmerlichen Kanonikus und einen tolpatschigen Priester! Wo bleiben meine psalmodierenden Mönche? Ich warne Euch, ohne meine psalmodierenden Mönche spiele ich nicht mehr mit!«
    »Aha«, sagte der Kanoniker. »Da fährt Balam in Form unfrommer Rede aus ihr aus.« Er schwenkte das Weihrauchgefäß über ihr und löste damit den nächsten Niesanfall aus. Dann bedeutete er dem Dorfpriester, das Weihwasser zu bringen, und bespritzte die Besessene freigebig.
    »Hört auf mit der Spritzerei, Ihr Tölpel!« keifte Lady Petronilla.
    »Schreibt Folgendes auf«, sagte der Kanoniker zu einem seiner Geistlichen, die mit Feder und Papier in seiner Nähe saßen. »Am Vorabend des Bartholomäustages, an einem unnatürlich schwülen und heißen Tag, wurde der letzte der vier mächtigen Teufel ausgetrieben, mein schwierigster Fall…«
    »Ihr elender, selbstsüchtiger, aufgeblasener Kretin…«
    »Schwefeldämpfe umwehten den Altar, während der letzte Dämon unfromme Verwünschungen ausstieß – vergeßt auf keinen Fall die Verwünschungen – und der beherzte Kanoniker unter Lebensgefahr…«
    »Erst mich überall betatschen, lüsterner Unmensch, und dann meine psalmodierenden Mönche nicht mehr mitbringen!« Mir schien, Lady Petronilla war völlig genesen.
    »Wartet, wartet!« sagte der Kanoniker und hob die Hand. »Balam ist noch nicht völlig exorziert. Hört ihr ihn, wie er Unzüchtiges von sich gibt? Agyos, Otheos, Ischiros, Exorciso te immunde spiritus!« Lady Petronilla lachte bitter. »Aha, da ist er!« rief der Kanoniker. »Ich wußte doch, Balam, daß du noch immer in ihr bist! Jetzt hast du dich verraten.«
    »So ist es«, sagte Lady Petronilla. »Jeden Zoll meiner Haut abtatschen, und für mich springt nichts heraus. Ihr seid ein Eunuch, Herr Kanonikus. Genauso nutzlos wie mein Ehemann. Laßt Euch sagen, selbst Hunde können länger.«
    »Hebe dich hinfort, Dämon der unfrommen Rede – das letzte schreibt Ihr nicht nieder –, hinfort mit dir! Du bist verdammt, o verfluchter Teufel! Du bist entdeckt, o Balam, und wirst zurückgeschickt in das Reich der Finsternis!« Er spritzte noch mehr Weihwasser, und Lady Petronilla blinzelte und nieste.
    »Der Dämon ist offensichtlich in Form von Rotz ausgefahren. Reicht mir die Hostie. Schreibt jetzt also: ›Versucht von unheiligen Traumbildern und geschwächt durch Fasten und Beten, reichte der Kanoniker ihr am Ende mit zitternder Hand die geweihte Hostie…‹«
    »Nichtskönner. Ihr gewinnt wohl immer, wie?«
    »Aber gewiß doch. Bislang habe ich immer obsiegt. Wie viele Dämonen waren es noch?« Der Schreiber blätterte sein Buch durch.
    »Achthundertachtunddreißig mitsamt diesen vier, Euer Hochwürden.«
    »Unbesiegt von achthundertachtunddreißig Dämonen mitsamt den Eurigen. Jetzt nehmt die Hostie und zeigt uns, daß Ihr nicht länger von den Mächten der Finsternis besessen seid.« Lady Petronilla öffnete den Mund. Doch so schnell ging die Sache nicht. Zunächst mußte noch jede Menge Gebete, Beschwörungsformeln, Dankgebete, eucharistische und andere, gesprochen werden. Während wir die Responsorien sangen, wurde Lady Petronilla immer ungeduldiger, verdrehte die Augen und warf böse Blicke um sich. Sie war sichtlich wieder die alte. Die Dämonen, die noch in ihr hausen mochten, waren ganz und gar ihre eigenen.
    Nachdem sie die Hostie erhalten und mit großem Brimborium hinuntergeschluckt hatte, band man sie los, und sie setzte sich auf dem Brett auf und mußte erneut niesen. Mir schien, ich sah ihre Hand zum Mund fahren und einen unverschämten, bösen Ausdruck über ihr Gesicht huschen. Sie spuckte unmißverständlich etwas aus. Dann stand sie auf und wischte sich die Hand an der verdorbenen fleckigen Kotta.
    »Weib, Ihr seid von Dämonen befreit. Kniet nunmehr mit mir nieder und lobpreiset

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