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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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das kann nicht sein, dachte ich und ließ mir von den Knechten aufs Pferd helfen.
    »An der Quelle im Wald tut sich so einiges«, bemerkte Madame.
    »Aber gewiß doch«, stimmte ich zu und dachte dabei an den Skandal mit den Mädchen und wie froh ich war, daß sie mir dabei geholfen hatte, ihr schändliches Tun vor all den Priestern und möglichen Inquisitoren zu verheimlichen. »Ich verlasse mich auf Eure Diskretion«, sagte ich.
    »Die ist Euch stets gewiß«, sagte sie, als wir aus dem Dorf ritten.

Kapitel 20
    D ie Berittenen unter uns erreichten die Quelle zuerst. Aber es war ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus Bauern auf Eseln bis hin zu neugierigen Geistlichen auf Maultieren. Der Abt blickte noch immer wütend und argwöhnisch, und das war eindeutig fehl am Platz bei jemandem, der angeblich kein Interesse an den Besitzansprüchen von Brokesford hatte. Aber vor uns hatten sich schon ein paar Fremde eingefunden, die hinter dem großen Felsen standen, den seltsamen Eibentempel betrachteten und uns dabei den Rücken zukehrten. Als der bunt gemischte Haufen lärmend durch das Unterholz brach, drehten sie sich ziemlich überrascht um. Ich wußte nicht, wer sie waren, aber einer trug ein langes Gewand und konnte dem würdigen Aussehen nach ein Advokat sein, während die anderen in gröberen Kleidern den harten abschätzenden Blick von Kaufleuten – oder Holzhändlern – hatten. Und ich hatte richtig geraten, denn ich hörte meinen Schwiegervater mit für seine Verhältnisse leiser Stimme sagen: »DER FEIND. Wollte Gott, wir wären in Frankreich und ich hätte meinen guten Bihänder dabei.«
    »Ruhig, Vater«, sagte mein Herr Gemahl und gab seinem Pferd die Sporen. Er wollte den alten Mann überholen, damit der nicht in Versuchung kam, die Eindringlinge anzugreifen. Er und Hugo trabten um die breitere Seite des Weihers herum und bauten sich hoch zu Roß zwischen den Fremden und den zerfallenen Ruinen auf.
    »Ei, Gott zum Gruße, Sieur de Vilers, meine Herren. Was führt Euch auf meinen Grund und Boden?« fragte der Mann in dem langen Gewand. Seine Verbeugung deutete Unterwürfigkeit an, doch seine Stimme klang eher ironisch.
    »Unseren Grund und Boden, meint Ihr«, sagte Hugo, und seine Hand fuhr zum Schwertgriff.
    »Wir haben im Kirchenarchiv eine Entdeckung gemacht«, sagte Sir Hubert. »Priester, lest den Brief vor. Ihr da, mit den Schaufeln, grabt nach seiner Anweisung.« Der Advokat warf seinem Verbündeten, dem Abt, einen Blick zu, doch der hatte eine eherne Miene aufgesetzt. Zu viele Menschen, zu viele bewaffnete Männer. Dem hatte der Advokat nichts entgegenzusetzen. Er biß sich auf die Lippen. Ich wahrte meine Leichenbittermiene. Aber mir hüpfte das Herz vor Freude. Ein erstaunliches Ereignis, ein Schelmenstück Gottes, daß die gegnerische Partei als Zeuge bei der Ausgrabung der Schatulle zugegen sein würde! Und wie klug von Malachi, daß er Hugo nicht eingeweiht hatte. Der benahm sich wie ein übereifriger Welpe, erteilte Befehle, widersprach sich und führte sich im großen und ganzen so auf, daß alle, die ihn kannten, merkten, es konnte kein Betrug sein.
    »Nichts, nichts!« rief er. »Der Brief hat uns hinters Licht gefühlt!« Er gab seinem Pferd die Sporen, polterte über die Reste der zerfallenen Mauer und brachte die Ausgräber völlig durcheinander. »Versucht es dort, versucht es hier«, sagte er und deutete auf die Erde unter den Hufen seines Pferdes. Seine Mätzchen machten sogar den Abt ungeduldig.
    »Das tun sie schon, Sir Hugo, das tun sie, wenn Ihr Euch entfernen möchtet.«
    »O ja, natürlich. Ja. Was es wohl sein mag? Gold? Das könnten wir dieser Tage gut gebrauchen.«
    Ganz leise konnte ich den Abt in seinen Bart murmeln hören: »Ich brauche keinen großen Dämon Behemoth mit seiner Gabe der Weissagung, ich weiß auch so, daß es eine Schenkungsurkunde ist.«
    Am Ende trafen die grabenden Leibeigenen auf etwas, was hohl und metallisch klang, und die Menge schob sich näher heran und schwieg ehrfürchtig, während die altertümliche Schatulle ausgegraben wurde. Alle Augen richteten sich auf Sir Hubert, der wie ein Denkmal auf seinem Reitpferd saß. Ein verstecktes Lächeln schien um seinen Mund zu spielen. Dieses eine Mal blieb seine gewittrige Stirn glatt. »Aufbrechen«, befahl er. »Aber vorsichtig.« Der Abt und der Advokat, die sich auf das Lesen verheimlichter Gefühle verstanden, musterten sein Gesicht. Das gefällt mir nicht, dachte ich. Er versteht sich einfach nicht

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