Die Zauberschatten - Goryydon #2 (German Edition)
mit Arans Hilfe vom Stalljungen.
»Ist es schlimm, Jyotis?«, fragte Juliane den Burschen.
Der Bursche wimmerte. »Mein Bein, mein Arm.« Seine Wangen glänzten feucht.
Shaara band sofort die blutenden Gliedmaßen mit Lederriemen ab. »Das verheilt wieder, junger Freund.«
Paor näherte sich lauernd, die Armbrust im Anschlag.
»Soll ich …«.
»Nein«, befahl Juliane scharf. Sie deutete auf zwei der Soldaten. »Tragt ihn in den Kerker. Wir sperren ihn ein.«
Die Wachen zögerten, bis Aran ihnen zunickte. Erst dann wagten sie sich vorsichtig an Ku’guar heran und schleppten ihn in den Gefängnisturm.
*
Shaara hockte neben dem betäubten Ku’guar. Er hatte seine rechte Hand auf den Kopf des Semchais gelegt.
Michaela rannte die Treppen hinauf und stieß Juliane beinahe um, als sie durch das kleine Fenster an der Kerkertür sehen wollte. »Was habt ihr mit Ku’guar angestellt?«
»Er hat den Stalljungen angegriffen.«
Michaela erstarrte und fixierte Juliane entsetzt. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte, durch das Fensterchen in die Kerkerzelle zu blicken. Das Schuldbewusstsein strömte förmlich aus jeder ihrer Poren.
Juliane packte Michaela an den Schultern und zwang sie, sich ihr und Aran zuzuwenden. »Du weißt, was mit ihm los ist?« Juliane gab sich Mühe, ruhig zu bleiben, konnte aber nicht verhindern, fester zuzudrücken als beabsichtigt.
Michaela wand sich unter ihrem Griff, hüpfte von einem Bein auf das andere. »Na ja, nicht richtig. Ku’guar nannte es Sempah. Er sagte, er habe Probleme mit seiner tierischen Seite. Ein Zustand, der bei seinen Leuten normal ist. Sie gehen dann in die Wildnis und leben wie wilde Tiere, bis der oder das Sempah beendet ist.«
Juliane musste sich zwingen, ihre Schwester nicht durchzuschütteln. Dieses Kind! War ihr denn nicht klar, dass sie alle in Gefahr gebracht hatte? »Warum habt ihr nichts gesagt?«
Michaela zuckte mit den Schultern. »Er war sich nicht sicher, weil es das erste Mal für ihn ist. Er wollte euch nicht zur Last fallen. Es schien ihm verflucht peinlich zu sein. Wie geht es Jyotis?«
»Er wird es überleben und all seine Körperteile behalten.«
»Gott sei Dank«, stieß Michaela hervor. »Ich hatte Ku’guar in sein Zimmer gesperrt, damit so etwas nicht passiert, aber er ist wohl durch das Fenster entkommen. Der Ruf der Wildnis muss stärker gewesen sein.« Sie lugte durch die Öffnung. »Was macht Shaara?«
»Er versucht, herauszukriegen, was mit Ku’guar los ist. Wir hatten befürchtet, er sei von Kloob besessen«, setzte Juliane Michaela säuerlich auseinander.
Aran stand mit einem Mal reglos hinter ihr. Sie hatte ihn nicht wahrgenommen, weil ihre Aufmerksamkeit auf Michaela gerichtet gewesen war. Juliane konnte Arans Gefühle so deutlich spüren, wie ihre. Ihn zu verlieren, diese Angst, die ihr immerzu im Genick saß, traf sie mit voller Wucht. Sofort legte er ihr seine Hand auf die Schulter.
Shaara klopfte von innen an die Tür und Juliane schob den Riegel zurück. Als er aus der Zelle geschlüpft war, versperrte sie die schwere Eichentür zusätzlich mit dem Schlüssel.
»Ich weiß, was mit ihm los ist.« Shaara schwankte leicht.
Michaela legte ihren Arm um seine Hüfte und stützte ihn.
»Wir auch«, entgegnete Juliane und warf Michaela einen bösen Blick zu.
»Erzähle«, forderte Aran Shaara auf.
»Später, die Geistreise war kräftezehrend. Ich muss mich setzen und eine Kleinigkeit essen und trinken.«
»Wir gehen in die Bibliothek, dort haben wir es gemütlicher«, entschied Juliane.
Kurz darauf saßen sie im geräumigen Bücherzimmer.
Juliane, Aran und Michaela warteten geduldig, bis Shaara sich gestärkt hatte. Schließlich lehnte er sich zufrieden zurück.
»Ku’guar ist in einem Zustand, in dem er keine Kontrolle mehr über sich hat.«
Michaela nickte zustimmend.
»Es war schwierig seinen Geist zu fassen. Sein menschlicher Teil ist sehr ängstlich und verwirrt und das Tierische in ihm übermächtig. Ich musste mein Krafttier zu Hilfe rufen.«
»Krafttier?« Michaela beugte sich vor.
»Meinen Schutzgeist«, Shaara legte seine gefalteten Hände auf die Tischplatte. »Wir müssen Ku’guar in die Wildnis schaffen. Eingesperrt überlebt er keine Woche. Die Semchais sind keine Wesen, die es ertragen, eingesperrt zu sein. Während des Sempahs verlangt es sie nach Freiheit. Erhalten sie diese nicht, drohen ihnen der Wahnsinn und das Verharren in ihrer tierischen Gestalt.«
Michaela
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