Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)
zitronengelbes Cadillac-Cabrio zu Hause vor und außerdem, zu meiner Verblüffung, meinen Vater. Das kam so gut wie nie vor.
»Hast du ein neues Auto?«, erkundigte ich mich.
»Nein, das muss ich bei jemandem abliefern«, sagte er. »Komm doch mit.«
Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen. Es war schon etwas Besonderes, meinen Vater an einem Werktag so früh zu Hause anzutreffen, aber auch noch einen Ausflug mit ihm zu machen, das war das Höchste der Gefühle.
Als wir vor dem Haus meiner Großeltern vorfuhren, kam uns Grandmom mit verschränkten Armen entgegen.
»Sag bloß, du hast dir schon wieder einen neuen Wagen zugelegt! Wie wär’s mal mit einem für meine Tochter?«
»Der ist für dich«, sagte er überdreht und reichte ihr die Schlüssel.
»Was soll ich mit diesem schicken Schlitten?«, beschwerte sie sich. »Alle werden glauben, ich wollte damit prahlen.«
»Dann sag ihnen einfach, dass er ein Geschenk von deinem Schwiegersohn war, zum Dank für zwanzig Jahre Eheglück.«
»Also gut«, sagte sie und fügte hinzu: »Und jetzt soll ich dich wohl nach Hause fahren, wie?«
Solche Wortgefechte lieferten sich die beiden ständig, und trotzdem hat den Tod meiner Großmutter vermutlich niemand mehr beweint als mein Dad. Sie muss ihn auch sehr geliebt haben, wenn ich so darüber nachdenke, schließlich fährt sie den Cadillac selbst hier im Himmel noch.
Tja, so war das also mit meinem Vater und meiner Mutter. Jetzt können Sie sich auch vorstellen, wie sehr den beiden ihre Kinderlosigkeit zu schaffen gemacht haben muss.
Ehrlich gesagt haben sie nie darüber geredet, was sie in dieser Zeit durchgemacht haben. Meine Mutter meinte bloß, nachdem ich endlich zur Welt gekommen war, sei aller Kummer vergessen gewesen. Trotzdem, es muss schrecklich für sie gewesen sein. Ich nehme an, dass die beiden alle möglichen Untersuchungen und Behandlungen über sich ergehen lassen mussten, ohne Erfolg. Mein Vater stand seit jeher mit Ärzten auf Kriegsfuß, und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass seine Abneigung teils auf diese Angelegenheit zurückzuführen ist.
Und jetzt komme ich endlich zu meinem allerersten besten Tag, wobei das im Grunde wiederum eine tragische Geschichte ist, die aber, wie wir bereits wissen, mehr als glücklich endet. Übrigens weiß ich das alles nicht von meinen Eltern, sondern von Onkel Morris. Er hat mich eingeweiht, als er eines Abends für mich Babysitter spielte. Als ich später meine Eltern befragte, ob es sich tatsächlich so zugetragen hatte, sagten sie zwar nicht, die Geschichte sei frei erfunden, aber sie wiegelten ab, wie Eltern das meist tun, wenn sie nicht über die Sorgen sprechen wollen, die man ihnen als Kind bereitet hat. Deshalb weiß ich, dass es stimmt.
Meine Mutter war wie üblich um Thanksgiving herum zum Gynäkologen gegangen. Sie legt ihre jährliche Routineuntersuchung immer auf diese Jahreszeit, und als sie mich das erste Mal mitnahm, gewöhnte ich mir denselben Rhythmus an.
Bei der Routineuntersuchung 1968 schlug der Gynäkologe Alarm. Er hatte einen Knoten in der Brust entdeckt.
Man bedenke, das war Ende der 60er Jahre, als die Frauen noch nicht allenthalben mit der Keule zur monatlichen Selbstuntersuchung angehalten wurden. Es muss also ein ziemlicher Schock gewesen sein. Vor allem mein Vater war laut Onkel Morris außer sich vor Sorge. Meine Großmutter war völlig hysterisch. Die Einzige, die nicht die Nerven verlor, war, Sie erraten es schon, meine Mutter.
»Falls es etwas Ernstes ist, werden sich die Ärzte darum kümmern«, war laut Onkel Morris alles, was sie dazu sagte. Das sieht ihr ähnlich. Ich möchte wetten, insgeheim war sie halb wahnsinnig vor Angst. Wie ich sie kenne, hat sie sich zum Weinen in der Toilette eingeschlossen, damit niemand es mitbekam, und ansonsten ein tapferes Lächeln aufgesetzt. Im Gegensatz zu mir ist sie nicht der Typ Frau, der gern vor Publikum ausflippt.
Mein Dad rief die besten Ärzte in ganz Philadelphia und New York an, und sogar einige in London und Paris. Die Ergebnisse der Biopsie waren nicht eindeutig. Mein Vater bestand darauf, dass sie sich von einem Arzt in New York untersuchen ließ. Meine Großeltern begleiteten meine Eltern nach New York. Dad mietete zwei Suiten im Plaza.
Die Ärzte mussten erneut Gewebe entnehmen. Mom ließ es geschehen.
Es dauerte Tage, bis die Ergebnisse der zweiten Biopsie vorlagen. Alle waren mit den Nerven am Ende, vor allem mein Vater. Er ging damals drei
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