Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)
materiell gesehen alles, was ich mir nur wünschen konnte, und obendrein natürlich Umarmungen und Küsse bis zum Abwinken. Man hat mir in meiner Kindheit jeden Wunsch von den Augen abgelesen – ich bekam jede Puppe, jedes Spielzeug, jedes Kleidungsstück, das ich haben wollte. Schließlich war ich ein biologisches Wunder, und obendrein war mein Vater ein regelrechtes Wirtschaftswunder. Wir waren reich, daran gibt es nichts zu rütteln.
Und doch möchte ich noch einmal auf meine erste Frage zurückkommen: Wie viel Geld muss ein Mensch haben, um als reich zu gelten?
War ich ein glückliches Kind? Betrachten wir einmal die nüchternen Fakten: Zum fünften Geburtstag bestellte mein Vater für mich einen Jahrmarkt, komplett mit Karussell und Riesenrad. Zum sechsten Geburtstag purzelten fünfzig Clowns mit Luftballons, Geschenken und Kuchen aus einem winzigen VW-Käfer und umzingelten mich. (Die haben mir ehrlich gesagt eine Heidenangst eingejagt. Ich bekomme noch heute eine Gänsehaut, wenn ich daran denke.) Zum siebten Geburtstag unternahmen meine Eltern mit mir einen Hubschrauber-Rundflug über Philadelphia, samt Mittagessen über den Wolken. Zum achten Geburtstag fuhren sie mit mir zu FAO Schwarz nach New York und ließen den gesamten Spielzeugladen meinetwegen schließen, und dann hatte ich fünf Minuten Zeit, um mir zu krallen, was immer ich haben wollte. Ich stürzte mich sogleich auf eine lebensgroße Giraffe. Meine Eltern lachten Tränen, während ich versuchte, mit dem Riesending im Schlepptau an das Regal mit den Barbie-Malen-nach-Zahlen-Sets zu gelangen.
Ein Geburtstag cooler als der andere also.
Ein Kind, das sich bei FAO Schwarz aussuchen kann, was das Herz begehrt, ist natürlich nur zu beneiden. Die ganze Sache hatte allerdings einen Haken: Geburtstage hin, Geschenke her, ich hatte lange keine einzige Freundin, mit der ich all diese Herrlichkeiten hätte teilen können.
Armes reiches Mädchen. Und damit sind wir wieder bei meiner anfänglichen Frage:
Wie viel Geld muss ein Mensch haben, um als reich zu gelten?
Jetzt wissen Sie, worauf ich hinauswill.
Es liegt mir wahrhaft fern, mich darüber zu beklagen, dass ich derart verwöhnt wurde. Es war wie der Himmel auf Erden, und ich hätte ganz schön in der Zwickmühle gesessen, wenn meine Eltern eines Tages zu mir gesagt hätten: »Du hast die Wahl zwischen all deinen Spielsachen und fünf guten Freundinnen.« Zum Glück stand ich nie vor einer solchen Entscheidung.
(Moment mal – ist das etwa der Sinn und Zweck dieses Tests? Symbolisiert der siebte Himmel hier oben meine Kindheit auf der Erde? Soll ich darum über meine zehn besten Tage schreiben? Werde ich jetzt vor die Wahl gestellt? Also gut, dann entscheide ich mich hier und jetzt für den siebten Himmel mit meinen Großeltern und Adam. Mit diesem wunderbaren Mann und meiner Familie bin ich wunschlos glücklich. Falls im vierten Himmel allerdings fünf gute Freundinnen auf mich warten, müsste ich mir das alles noch einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen. Ist es so? Ich bezweifle es, nach allem, was ich bisher über den vierten Himmel gehört habe.)
Doch zurück zu The Friends School, wo ich, dem Namen der Schule zum Trotz, zunächst nicht allzu viele Freunde fand. Es mangelte auf beiden Seiten an Sympathie und Verständnis. Meine Freunde waren meine Eltern und meine Großeltern und Onkel Morris. Wenn Mom und Dad am Wochenende ausgehen wollten, passten entweder meine Großeltern oder Onkel Morris auf mich auf. Es wurden keine Babysitter und keine Nanny engagiert. Ein biologisches Wunder wie mich konnte man ja unmöglich einem wildfremden Menschen anvertrauen.
Während also andere Kinder am Wochenende ihre Freunde zum Spielen besuchten oder gar bei ihnen übernachteten, brachte man mir Bridge bei. Ich war sogar ziemlich gut. Andere Kinder durften zu McDonald’s oder Roy Rogers, ich entwickelte eine klare Vorliebe für Buchweizengrütze. Meine Großmutter erzählte mir von ihrer Kindheit in Strawberry Mansion (wer hier an das Playboy Mansion denkt, der irrt – es handelt sich nicht um eine Villa, sondern um eine eher ärmliche Ecke von Philadelphia). Mein Onkel Morris brachte mir bei, den Unterschied zwischen einer billigen Phillie Blunt und einer kubanischen Montecristo zu erschnüffeln und erklärte mir, wie sie hergestellt werden und worin der himmelweite Qualitätsunterschied besteht. Meinem Großvater verdanke ich es, dass ich die Stimme von Andy Musser, dem Kommentator der Spiele
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