Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)

Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)

Titel: Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adena Halpern
Vom Netzwerk:
drehte sich alles nur um den Mann. Was hätte ich dafür gegeben, mal einen BH zu verbrennen!«
    Ich glaube schon, sie ist mit ihren Ausführungen am Ende, aber sie fährt fort.
    »Jedenfalls habe ich damals beschlossen, nicht mehr älter zu werden. Ich bin gern dreißig. Mit dreißig gilt man noch als jung, aber man darf schon am Erwachsenentisch sitzen. Dreißig ist das ideale Alter, sowohl auf der Erde als auch hier oben.« Sie lehnt sich zurück, als sei sie jetzt mit ihrem Schicksal versöhnt.
    »Was meinst du mit Erwachsenentisch?«
    »Na, der Erwachsenentisch eben. Bei Familienfeiern sitzen Erwachsene und Kinder doch immer an separaten Tischen. So war das jedenfalls zu meiner Zeit.«
    »Verstehe. Das gab es bei uns nicht, ich war ein Einzelkind.«
    »Ach, richtig, du warst ein Einzelkind. Wie geht es eigentlich deinen Großeltern? Ich erinnere mich gut an sie. Die waren echt zum Schießen.«
    »Sind sie immer noch.« Ich schmunzle. »Es geht ihnen gut.«
    »Sie haben sich bestimmt gefreut, dich wiederzusehen.«
    »Oh, ja.« Wieder schmunzle ich.
    »Sag mal«, sie beugt sich erneut über den Tisch und sieht mir gespannt in die Augen. »Hattest wenigstens du eine Gelegenheit, die Welt zu verändern? Wie war das, Ende des 20. Jahrhunderts eine Frau zu sein? Weißt du überhaupt, was für ein Glück du hattest, dass du in einer Zeit leben durftest, in der die Frauen den Männern gleichgestellt waren?«
    Plötzlich verstehe ich, worauf sie hinauswill und komme mir vor wie ein Idiot. Sie sieht zwar aus wie dreißig, aber sie ist eben doch ein sechzehnjähriger Teenager, und einer aus den 50er Jahren noch dazu.
    »Hattest du eine Gelegenheit, die Welt zu verändern?«, wiederholt sie.
    Hm. Darüber muss ich einen Augenblick nachdenken.
    Ich habe das gelbe Lifestrong-Armband getragen und bei den vergangenen drei Präsidentenwahlen gewählt. Ich habe auf diversen Wohltätigkeitsveranstaltungen das rosa Brustkrebs-Band und das rote Aids-Band getragen.
    Ach, Scheiße, habe ich die Welt irgendwie verändert?
    »Weißt du, gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts mussten wir Frauen die Welt nicht mehr zu unseren Gunsten verändern. Das hatten unsere Mütter schon für uns erledigt«, erkläre ich ihr.
    »Was hast du dann getan?«
    »Um die Welt zu verändern?«
    Ich könnte jetzt scherzen, dass ich jede Menge Schuhe und Taschen gekauft habe, aber ich bin nicht sicher, ob sie das sonderlich witzig finden wird. Ist es ja auch gar nicht. Ohne Konsum kann die Wirtschaft nun einmal nicht florieren, doch das behalte ich für mich. Mir fällt beim besten Willen nichts ein, was ich getan hätte, um die Welt zu verändern. War ich zu jung? Zu faul? Bestand überhaupt noch Veränderungsbedarf? Ich las die New York Times (zugegeben, nur den Modeteil, hin und wieder habe ich aber durchaus auch die andern Teile überflogen). Ich versuchte immer, auf dem Laufenden zu sein. Über die Situation in Afrika zum Beispiel. Ich war ein treuer Zuschauer der Oprah Winfrey Show . Soll ich etwa deswegen in den vierten Himmel versetzt werden? Weil ich die Welt nicht verändert habe?
    »Keine Ahnung«, murmle ich.
    »Na, vielleicht kommst du ja dahinter, wenn du erst deinen Aufsatz geschrieben hast«, meint sie.
    Ich schweige.
    Mein Kopf fängt an zu dröhnen. Ist das zu fassen? Gibt es hier oben überhaupt Kopfschmerztabletten?
    »Hey«, ruft Alice überdreht. »Lass uns einkaufen gehen!«
    »Ich weiß nicht recht. Ich sollte mich auf den Heimweg machen«, schwindle ich und denke erneut an meine unzähligen Shoppingexzesse. Ich schätze, ich habe genügend Schuhe und Taschen für ein ganzes Leben eingekauft. Doch Alice lässt nicht locker.
    »Ach, komm schon«, sagt sie und zieht mich hoch. »Deine Mutter wird es mir nie verzeihen, wenn sie hört, dass ich dich nicht aufgemuntert habe. Du willst mir doch wohl nicht weismachen, dass du nicht gern einkaufen gehst, oder?«
    Da muss ich lachen, und ehe ich mich’s versehe, sind wir auch schon unterwegs.
    Kurz eines vorweg: Das Shoppen ist hier oben ein im wörtlichen wie übertragenen Sinne himmlisches Vergnügen. Ich habe Alice erzählt, ich bräuchte ein paar Feinripp-Unterhemden (im Volksmund »Wife Beaters«, also »Frauenverprügler« genannt, was nicht gerade für die traditionellen Träger solcher Unterhemden spricht), und siehe da, es gibt hier einen Laden, der solche Unterhemden in allen erdenklichen Farb- und Formvarianten verkauft. Nur, dass die Dinger im Himmel nicht Wife Beaters heißen,

Weitere Kostenlose Bücher