Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)
Depression oder sonstige ernst zu nehmende Probleme zurückzuführen sein.
»Alex«, sagte sie dann, zu mir gewandt. »Wir verstehen einfach nicht, warum du so schlecht abgeschnitten hast, und das nach all den Nachhilfestunden!«
Arme Mom. Sie hatten extra einen Studenten von der Villanova University engagiert, der mich auf den Test vorbereiten sollte. Ich hatte mich mit ihm immer vor der Luddington Library verabredet, ihm dort seinen Scheck in die Hand gedrückt und war verduftet, um mir mit meinen Freundinnen einen schönen Abend zu machen. Der Kerl hat ganz schön abgesahnt. Hoffentlich hat er das Geld wenigstens sinnvoll investiert.
Trotzdem war ich wegen meiner vierhundertvierzig Punkte geschockt. Ich hätte nicht im Traum damit gerechnet, dass ich den Test derart verpatzen würde.
Mrs. Andersen ergriff meine Hand. »Gibt es vielleicht irgendetwas, das du uns erzählen möchtest? Machst du gerade eine schwierige Phase durch?«
»Ich kenne kein Kind, das es so gut hat wie unsere Tochter«, rief mein Vater. »Sie hat einen brandneuen BMW und kauft sich ständig noch mehr Kleider. Glaub nur nicht, das wäre mir entgangen, Alexandra! Ich sehe es doch auf den Kreditkartenabrechnungen! Was dieses verwöhnte Gör braucht, ist eine ordentliche Tracht Prügel!«
Seltsamerweise blieb trotzdem alles beim Alten. Soweit ich mich entsinne, bekam ich eine Woche Hausarrest, aber da meine Eltern nicht daheim waren, um sicherzustellen, dass ich ihre Anweisungen befolgte, hielt ich mich auch nicht daran. Ich fand es sogar lustig, wenn meine Freundinnen die Angelegenheit erwähnten. Die Sache wurde zum geflügelten Wort an unserer Schule; ich erhielt den Spitznamen »440« und fand das auch noch cool.
Letzten Endes erwies sich mein schlechtes Testergebnis ohnehin als vernachlässigbares Problem. Mein Vater war ein reicher Mann, und er legte großen Wert darauf, dass seine Tochter studierte, auch wenn ich ohne weiteres darauf hätte verzichten können. Doch er setzte alles daran, mich trotz meiner kläglichen vierhundertvierzig Punkte an einer Uni unterzubringen – und zwar nicht an irgendeiner Uni, sondern an der University of Pennsylvania, wo schon er und Mom studiert hatten. Er musste lediglich eine neue Turnhalle stiften (die dann immerhin nach meinen Eltern benannt wurde), und schon stand mir der Weg offen.
Ich muss zugeben, ich habe die Studienzeit in vollen Zügen genossen. Ich hatte endlich die Schule hinter mir und zog in ein Studentenheim in der Stadt – in ein Einzelzimmer, weil Mom fürchtete, ich könnte sonst nicht ausreichend Schlaf bekommen. Später bekam ich sogar ein eigenes Apartment in einem Gebäude, das meinem Vater gehörte, aber er war so gut wie nie dort, und ich im Grunde auch höchst selten.
Dana Stanbury ging nach der Highschool auf die University of Colorado, Kerry Collins studierte an der Pepperdine in Malibu, Kalifornien, und Olivia Wilson an der Northwestern in Chicago. Als ich hörte, dass sich Pen für die New York University entschieden hatte, wollte ich auch an die NYU wechseln (wenn es irgendetwas gab, das die Club-Szene von Philadelphia übertraf, dann war das die in New York), aber damit biss ich bei meinen Eltern auf Granit.
»Nachdem ich ein Vermögen hingeblättert habe, um dich an der University of Pennsylvania unterzubringen?«, tobte Dad. »Du gehst auf die Penn, und du wirst mir gefälligst dafür dankbar sein!«
Tagsüber studierte ich also in Philadelphia Psychologie (sofern ich morgens aus dem Bett kam), die Nächte verbrachte ich in New York. Meist kam ich gerade rechtzeitig zur Neun-Uhr-Vorlesung zurück, noch in den Klamotten vom Vorabend (das heißt, von vor zwei Stunden). Ich muss wohl nicht betonen, dass ich die am besten angezogene Studentin in der »Einführung in die Psychologie« war.
Zum ersten Mal in meinem Leben war ich frei. In den Clubs von New York schloss ich jede Menge Freundschaften. Kennen Sie den Film Das verlorene Wochenende von Billy Wilder? Ich habe ganze vier Jahre verloren, und das mag zwar höchst dekadent und verwerflich sein, aber es war die aufregendste Zeit meines Lebens. Darüber hätte der liebe Billy mal einen Film drehen sollen.
Eines schönen Samstagmorgens im Herbst spazierte ich mit Pen nach einer durchtanzten Nacht zu ihrem Apartment unweit des Broadway. Es war gegen sieben Uhr früh, die Straßen waren nahezu menschenleer, und wir verspürten nicht die geringste Lust, in ein Taxi zu steigen. Eine leichte Brise wehte, am Himmel war
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