Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)
kein Wölkchen zu sehen, kurz, es war ein herrlicher Morgen. Kennen Sie das, wenn man urplötzlich innehält, tief Luft holt und feststellt, dass das Leben gerade einfach fabelhaft ist? Genauso fühlte es sich an. Ich war mit meiner besten Freundin in der tollsten Stadt der Welt, und wir hatten die ganze Nacht ohne Unterbrechung gefeiert und geflirtet. Unsere Eltern waren weit weg und konnten nicht über uns bestimmen, und dank ihrer Kreditkarten hatten wir genügend Geld, obwohl wir damals beide keiner Arbeit nachgingen. Wir waren zweiundzwanzig und hatten vor einem halben Jahr unseren Hochschulabschluss gemacht. Pen zog immerhin in Erwägung, ein Jurastudium anzuhängen (es sollte allerdings noch ein Jahr dauern, bis sie ihre Pläne in die Tat umsetzte). Aber das war in diesem Augenblick alles nebensächlich. Ich lief mit meiner besten Freundin durch Manhattan, und das Leben war einfach großartig.
Und dann fing es aus heiterem Himmel an zu regnen. Tropfen so groß wie Vierteldollars prasselten auf uns herab, und weit und breit kein Unterstand. Also sprinteten wir los, die Houston Street entlang. Pen hatte bald einen halben Häuserblock Vorsprung, weil ich vor Lachen nicht mit ihr Schritt halten konnte, und als sie sich schließlich umdrehte und zu mir zurückblickte, muss ich ein ziemlich ulkiges Bild abgegeben haben, denn sie konnte sich vor Lachen gar nicht mehr auf den Beinen halten und sank im strömenden Regen auf den Gehsteig.
Es war einer dieser Augenblicke, die man nur lustig findet, wenn man selbst dabei war. Stellen Sie sich eine Situation vor, in der Sie und Ihre beste Freundin Tränen gelacht haben, eine Situation, deren Komik für Außenstehende nur schwer nachzuvollziehen ist. Vor meinem inneren Auge liefen im Zeitraffer all die wunderbaren Momente ab, die wir gemeinsam erlebt hatten. Ich sah Pen an ihrem ersten Tag in der Friends School, dick, plump und hünenhaft; ich spürte noch einmal die Erleichterung, als sie den Müllbeutel öffnete und mir heraushalf. Ich sah uns mit zehn in meinem Zimmer sitzen und mit meinen Puppen aus aller Welt spielen. Ich sah, wie wir mit zwölf in der Vogue meiner Mutter blätterten und vorgaben, die Mannequins auf den Bildern zu sein. Mir fiel wieder ein, wie wir Mom mit vierzehn Zigaretten aus der Handtasche geklaut und diese bei Pen hinter dem Haus unter viel Gehuste geraucht haben. Ich hörte, wie sie mir mit erstickter Stimme vorjammerte, sie hätte sich mit dem Steak-Sandwich aus der Schulkantine den Magen verdorben, was schließlich zu meinem ersten Kuss geführt hatte. Ich sah uns mit zwanzig, rank und schlank, Hände haltend und von Männern umschwärmt im Gewühl eines New Yorker Clubs. Ich dachte an all die von Gekicher und endlosen Gesprächen erfüllten Stunden bis zu dem besagten Augenblick, in dem meine beste Freundin im strömenden Regen auf einem New Yorker Bürgersteig kauerte und wir aus vollem Halse lachten, während ich vergeblich versuchte, sie hochzuhieven.
Können Sie sich jetzt ungefähr vorstellen, was ich meine? Gut.
Wir kamen bis auf die Haut durchnässt in Penelopes Wohnung an, eine schmuddelige Bruchbude an der Bleecker Street Ecke Broadway, für die sie monatlich tausend Dollar Miete berappte. Wenn ihr nicht die Kakerlaken das Leben schwer machten, dann war es die erratische Heizung, die manchmal so heiß wurde, dass Pen schon mal nach einer halben Stunde fernsehen fünf Pfund leichter war, allein durch die exzessive Transpiration. Sie musste den Vermieter vor Gericht bringen, bis er die Heizung endlich reparieren ließ, und konnte sich auf diese Weise auch noch ein erkleckliches Sümmchen erstreiten. An besagtem Morgen war es besonders schlimm. Wegen des heftigen Regens war ihre Wohnung von der finnischen Sauna zum türkischen Dampfbad mutiert. Die Luft war so feucht, dass die Fenster beschlugen; ohne Übertreibung. Schweißüberströmt saßen wir da und konnten uns durch die Nebelschwaden hindurch kaum noch erkennen. Wir kamen uns vor wie im tropischen Regenwald. Da hatte ich einen glänzenden Einfall.
»Hier können wir nicht bleiben«, sagte ich. »Wir nehmen uns jetzt ein Hotelzimmer.«
Ich weiß nicht mehr, wer das Plaza vorgeschlagen hat. Vermutlich ich – ich war seit jeher ein großer Fan von Kay Thompsons Büchern über die »Hotel-Göre« Eloise .
Jedenfalls begaben wir uns ins Plaza, triefend nass und in den Klamotten vom Vortag. Ich schwenkte die Kreditkarte meines Vaters, die »magische Karte«, wie Pen sie nannte,
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