Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)
meine Eltern in mein Zimmer.
Mein Vater hatte sich inzwischen einigermaßen beruhigt, aber es war offensichtlich, dass ihn die Angelegenheit nach wie vor fürchterlich aufregte.
»Wir müssen uns ernsthaft unterhalten, Alexandra«, sagte er.
O-oh. Wenn er das schon so ankündigte, war die Lage in der Tat ernst.
»Deine Mutter und ich wissen jetzt wirklich nicht mehr ein noch aus mit dir, Alex. Du musst ein für alle Mal zur Vernunft kommen und dir endlich Gedanken über deine Zukunft machen. Du bist zum Glück erst zweiundzwanzig, es besteht also noch Hoffnung, dass du dich besserst. Ich weiß nicht, Maxine, haben wir sie zu sehr verwöhnt? Haben wir ihr zu viele Freiheiten gewährt?«
Meine Mutter zuckte schweigend die Achseln. Die Tränen in ihren Augen sagten mehr als tausend Worte.
»Da du ganz offensichtlich nicht fähig bist, allein auf dich aufzupassen, wirst du deine Wohnung räumen und wieder hier einziehen.«
»Niemals!«, schrie ich entsetzt.
»Es ist nur zu deinem Besten, Alex«, sagte Mom. »Wir sind mit unserem Latein am Ende.«
»Diesmal hast du den Bogen wirklich überspannt«, fügte Dad ruhig und entschieden hinzu. Es wäre mir lieber gewesen, er hätte wieder gebrüllt. »Du hast auf dem College nicht das Geringste gelernt, und das bei den Unsummen, die wir ausgegeben haben, damit du überhaupt aufgenommen wirst. Die Freiheiten, die wir dir gelassen haben, hast du allesamt missbraucht. Bislang hast du nur bewiesen, was für ein Nichtsnutz du bist.«
Ich saß schweigend auf meinem rosa Bett in meinem rosa Zimmer und ließ die Standpauke über mich ergehen. Mir war bewusst, was ich angerichtet hatte und wie dumm ich gewesen war. Ich wollte es nicht auch noch von ihnen vorgehalten bekommen. Das überstehe ich auch noch irgendwie, dachte ich die ganze Zeit über, überzeugt davon, dass die Angelegenheit keine einschneidenden Veränderungen nach sich ziehen würde. Dann wohnte ich eben wieder bei meinen Eltern, na und? Ich konnte trotzdem ausgehen, mich amüsieren und tun, was mir gefiel. In meinem Apartment war ich ohnehin nur höchst selten gewesen. Natürlich würde ich ein wenig leiser treten müssen, das war mir klar. Aber ich war zweiundzwanzig, da musste man doch feiern und seinen Spaß haben. Ich war nicht gewillt, das alles jetzt schon aufzugeben. Über meine Zukunft nachdenken konnte ich auch noch, wenn ich dreißig war … Ich weiß, das klingt jetzt, wo ich mit neunundzwanzig gestorben bin und diesen Aufsatz schreiben muss, ironisch.
»Ab sofort wirst du in meiner Firma arbeiten. Und glaub ja nicht, dass du da eine ruhige Kugel schieben kannst. Du wirst ganz unten anfangen und lernen, wie man sich seinen Lebensunterhalt verdient, dafür werde ich schon sorgen – und wenn es das einzig Sinnvolle ist, was ich in meinem ganzen Leben getan habe.«
»In deiner Firma arbeiten?« Ich versuchte, mir meine Verzweiflung nicht anmerken zu lassen. »Auf keinen Fall.«
»Und ob – und du wirst mir gefälligst dankbar dafür sein!« Seine kalte, ruhige Stimme erstickte jeden Protest meinerseits im Keim. »Morgen um sieben fängst du an! Und jetzt ab ins Bett mit dir!« Er verließ mit meiner Mutter das Zimmer.
Mir schwirrte der Kopf. Ich war wütend auf meinen Vater, weil er mich angebrüllt hatte und wütend auf meine Mutter, weil sie nicht für mich Partei ergriffen hatte. Am größten war meine Wut auf mich selbst, aber ich war zu jung und zu dumm, um das zu erkennen. Ich hatte zwar ein schlechtes Gewissen wegen der Vorfälle im Plaza, aber es war eben einfacher, mir einzureden, ich sei wütend, weil ich tags darauf um sieben aufstehen musste. Mir meine Fehler einzugestehen hätte eine Reife erfordert, die ich damals noch nicht hatte.
Wenn ich die Zeit zurückdrehen und etwas anders machen könnte, würde ich meinen Dad vermutlich um Verzeihung bitten und wenigstens versuchen, ihm die fünfundfünfzigtausend Dollar zurückzuzahlen. Vielleicht hätten wir dann später einen etwas besseren Draht zueinander gehabt.
Trotzdem kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass der Tag bis zu dem Zeitpunkt, als das Feuer im Plaza ausbrach, einer der besten meines Lebens war.
Allerdings hätte ich wohl schon damals an der Highschool etwas fleißiger für den Universitäts-Einstufungstest gepaukt, wenn mir jemand vorhergesagt hätte, dass es fortan bergab gehen würde, was mein Verhältnis zu meinem Vater betraf. Auf der anderen Seite denke ich manchmal, wenn ich all diese Erfahrungen nicht gemacht
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