Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)
was ich für dich aussuche, können wir ja Schritt für Schritt deine Garderobe erneuern.«
So gewann ich auch Stan Mitchell als Kunden.
»Wissen Sie was?«, sagte ich kurz darauf zu Lou Sernoff, als ich ihm seinen Gipsabdruck aus dem Lager holte. »Ich könnte mir eigentlich Ihre Kleidergrößen aufschreiben und mich bis zum nächsten Mal drüben bei meinen Kollegen umsehen – vielleicht ist ja etwas dabei, das zu den Schuhen passt, die Sie hier kaufen.«
»Wenn Sie an mir dasselbe Wunder vollbringen wie an Stan Mitchell, dann bezahle ich Ihnen zwanzig Prozent des Ladenpreises für jedes Stück, das ich hier kaufe.«
Mit diesen drei Kunden und meiner regulären Tätigkeit als Schuhverkäuferin war ich mehr als ausgelastet. Ständig rannte ich zwischen den diversen Abteilungen hin und her, um nur ja keine neue Lieferung zu verpassen. Natürlich sprach sich bald herum, dass Lloyd, Stan und Lou bei Barney’s eine persönliche Einkaufsberaterin hatten, und binnen eines Jahres betreute ich vier weitere Kunden – und bekam ein Problem mit meinen Vorgesetzten.
»Aber ich verkaufe ihnen doch nur Kleider von Barney’s«, verteidigte ich mich.
»Das ist auch gut und schön, aber es gehört nicht zu dem Aufgabenbereich, für den wir Sie eingestellt haben. Sehen Sie zu, dass sich Ihr Nebenverdienst in Grenzen hält.«
Ich bekam Muffensausen.
Tags darauf legte ich Lloyd mein Problem dar.
»Ich ziehe in Erwägung, mich selbständig zu machen«, erklärte ich, während ich ihm das neue Harris-Tweed-Sportsakko glatt strich. »Ich müsste allerdings meine Provision von zwanzig auf dreißig Prozent erhöhen, damit ich mir die Krankenversicherung leisten kann.«
»Dreißig Prozent«, murmelte er. »Lass mich darüber nachdenken.«
Dasselbe sagte ich auch zu Stan und Lou.
»Du bist es wert«, rief Stan Mitchell bei der Anprobe seines neuen schwarzen Anzuges. »Abgemacht. Dreißig Prozent.«
»Ich hab’s mir überlegt. Ich bin dabei«, meinte auch Lloyd.
»Wenn Stan und Lloyd einverstanden sind, dann bin ich auch dabei«, erklärte Lou Sernoff.
Und so reichte ich nach vier Jahren bei Barney’s meine Kündigung ein. Als ich das wunderbare Kaufhaus verließ, in dem der Grundstein für meine weitere Karriere gelegt worden war, schwor ich mir, auch künftig den Großteil meiner Einkäufe dort zu tätigen. Und ich hielt mich an meinen Vorsatz.
Wie soll ich Ihnen nur das Gefühl beschreiben, das mich in diesem Moment, am achten besten Tag meines Lebens überkam? Ich erzählte weder meinen Eltern noch Penelope noch sonst irgendwelchen Freunden von dieser tollen Neuigkeit. Ich hatte nicht das Bedürfnis, beglückwünscht oder bewundert zu werden. Ich hatte es geschafft, ganz ohne fremde Hilfe. Ich hatte meine Bestimmung gefunden. Die innere Zufriedenheit, die ich bei diesem Gedanken empfand, genügte mir völlig.
Verstehen Sie mich nicht falsch – ich weiß sehr wohl, dass der Job eines persönlichen Einkaufsberaters nicht denselben Stellenwert hat wie der eines Arztes, der Krebskranke heilt. Er mag manch einem sogar überflüssig erscheinen, aber meiner Ansicht nach half ich meinen Kunden, sich mit ihrem Äußeren wohler zu fühlen. Man sah es ihnen deutlich an, wenn sie sich im Spiegel betrachteten: Sie wirkten eindeutig eine Spur aufrechter und selbstbewusster, wenn sie erst einmal den richtigen Anzug oder die passenden Schuhe trugen. Ihre Miene und ihre Körperhaltung änderte sich merklich, sobald ich hier einen Aufschlag oder dort einen Jackensaum glatt strich.
Ich behaupte nicht, ich allein sei dafür verantwortlich gewesen, dass Lloyd eine Frau gefunden hat, die ihn liebt, mit all seinen Ecken und Kanten. Ich behaupte auch nicht, Stan Mitchell hätte es allein mir zu verdanken, dass eines seiner Drehbücher mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Ich behaupte lediglich, wenn man die Möglichkeit hat, sich oder sein Werk ein klein wenig vorteilhafter zu präsentieren, dann kann man damit so einige Hürden überwinden und dem heiß ersehnten Ziel den entscheidenden Schritt näher kommen.
In den vier Jahren, die ich in Los Angeles gelebt habe, war ich ganze dreimal in Philadelphia. Zweimal war mein Vater auf Geschäftsreise, und auch beim dritten Mal sahen wir uns kaum. Es war nicht weiter schwierig, einander aus dem Weg zu gehen. Wenn er nach einem Sechzehnstundentag nach Hause kam, saß ich meist schon im Wohnzimmer vor dem Fernseher oder auf meinem alten rosa Himmelbett. Er hielt sich von mir fern.
Bei meinen
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