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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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war es mittlerweile geworden.
    „Noch könnten wir umdrehen und zurückgehen, der Weg würde uns führen“, dachte Eleanor. Doch Wills starke Hand in der ihren führte sie unbeirrt weiter. „Merkwürdig“, ging es Eleanor durch den Kopf. „Das ausgerechnet jemand aus diesem Dorf mutiger ist, als ich es jetzt sein kann. Ich kenne diesen Mann nicht einmal, doch er hat etwas an sich, dass mir Vertrauen gibt.“
    Erst jetzt fiel ihr auf, wie unendlich still diese Welt war. Kein Vogelgezwitscher, keine Grillen am Wegesrand, ja nicht einmal ein Windesrauschen war zu hören. Allein das Knirschen des Weges unter ihren Füßen durchbrach die Totenstille.
    Eine ganze Weile waren sie schon so gegangen, als Will an ihrer Seite ein Räuspern von sich gab. Es klang rau und nervös: „Ihr habt mich nicht erkannt, oder?“, fragte er.
    Eleanor blieb stehen und sah ihn aufmerksam an. Ihr Begleiter sah stur und doch mit halb gesenkten Blick zurück, und dennoch sagte er kein weiteres Wort, sondern wartete.
    „Sollte ich dich kennen?“, fragte Eleanor verunsichert zurück. „Ich bin mir sicher, dass ich dich im Dorf zum ersten Mal gesehen habe.“
    Noch einmal musterte sie ihr Gegenüber gründlich, doch nichts in seinem Gesicht kam ihr bekannt vor. Es war ein ernstes Gesicht, dünn und ausgemergelt, mit großen Augen in denen allzeit Angst, Verzweiflung  und Hunger standen. Die ersten grauen Bartstoppeln rahmten einen Mund ein, der schön hätte sein können, wäre er nicht durch Jahre der Qual und Entbehrungen verzerrt und entstellt worden. Die grauen Haare lichteten sich bereits an den Schläfen, doch alles in allem hätte Eleanor Will dennoch für nicht älter als vielleicht vierzig Jahre gehalten. Er war klein und ausgemergelt, ganz sicher kein Kämpfer, sondern ein Mann, der nur durch ständige Flucht überlebt hatte.
    „Ich weiß nicht wer du bist, aber offensichtlich kennst du mich gut“, erwiderte sie schließlich.
    Verunsichert knetete Will seine schwieligen Hände. Dann brach es hastig aus ihm heraus. „Mein voller Name ist William Foltridge, aber im Dorf nannten mich alle nur Will!“
    Betreten blickte er wieder zu Boden, während Eleanors Augen sich vor Erstaunen weiteten.
    „William Foltridge?“, stammelte sie. „ Der William Foltridge, der im Kerker der Burg Crowstone gefangen war?“
    William nickte, während eine einzelne Träne seine Wange hinab rann. Mit ungeschickter Hand wischte er sie fort und noch immer wagte er Eleanor nicht anzusehen.
    „Was machst du hier?“, hauchte sie entgeistert. „Ich dachte, du hättest Erlösung gefunden. Wie kannst du dann hier in der Vorhölle sein?“
    William gab ein tonloses Lachen von sich, es klang freudlos und traurig. „Nun ja“, begann er fast verlegen. „Im Vergleich zu jenem Ort an dem ich vorher hausen musste, ist die Vorhölle schon eine wirkliche Verbesserung.“ Er lächelte gequält. „Nachdem ihr mich besuchen kamt, Milady, und mir euer Mitleid ausgesprochen habt, konnte ich plötzlich das Licht sehen. Jenes Licht, in das man gehen muss, um Erlösung zu finden. Doch genau in jenem Augenblick als ich hineingehen wollte, schob sich ein dunkler Schatten davor. Er packte mich und das letzte was ich hörte war eine finstere Stimme: ‚ Nein. Dieser Ort ist noch nicht für dich bestimmt‘. Dann wurde es schwarz um mich herum und als nächstes lag ich auf einem Acker in der Nähe des Dorfes der Verdammten, wo wir einander schließlich trafen.“
    „Genau wie bei mir!“, entfuhr es Eleanor.
    William sah sie verwirrt an. „Tatsächlich?“
    Eleanor nickte erregt.
    „Nun, auf jeden Fall nahmen die Dorfbewohner mich bei sich auf“, fuhr William zögernd fort. „Ich hatte mich schon beinahe mit einem Leben unter ihnen abgefunden, als ihr plötzlich aufgetaucht seid, Milady. Da wusste ich, dass auch dieses Dorf nicht meine Bestimmung ist. Ihr habt euch für mich eingesetzt als niemand anderes es getan hat. Dafür werde ich euch immer dankbar sein. Es schien mir nur recht und billig, euch auf eurem Weg zu begleiten, wenn niemand sonst es tun will. Das schulde ich euch.“
    Eleanor fühlte Tränen in sich aufsteigen. Mit einer ungelenken Bewegung nahm sie Williams Hände und drückte sie ergriffen. Und erst jetzt vermochte William den Blick zu heben und sie wirklich anzusehen. Dann begannen sie beide befreit zu lachen.
    „William, oh William!“, freute sich Eleanor. “Wir kennen einander kaum, aber ich bin unendlich froh, dass gerade du an meiner

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