Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
Vom Netzwerk:
buchstäblich überall auf dieser Welt sein, ja selbst das Jenseits war ein potentieller Aufenthaltsort für ihn.
    „Er war nicht hier?“, erklang eine müde Stimme hinter ihr. Blitzschnell fuhr sie herum und sah keine zwanzig Meter von sich entfernt Raphael auf einem Grabstein sitzen. Das Mondlicht tauchte seine Flügel und seinen Körper in ein weißes Glitzern, wunderschön und nicht von dieser Welt, während das sanfte Leuchten seines Körpers gleichmäßig und ruhig zu ihr hinüber schien.
    „Was tust du hier?“, fauchte sie bissig zurück. „Ich habe dir gesagt, dass ich Eleanors Seele zurückbringen werde. Reicht dir das nicht?“
    „Ich habe mich gefragt, ob du vielleicht Hilfe brauchst. Bislang wissen wir nicht einmal sicher, ob tatsächlich Asasel hinter all dem steckt. Und selbst wenn er es war, wirst du ihn allein nicht besiegen können. Ich denke, du bist auf meine Hilfe mehr angewiesen, als du es dir selbst eingestehen willst.“
    Wütend funkelte Lilith ihn an, doch sie sagte kein Wort.
    „So wie es aussieht, verbindet uns in diesem Augenblick ein gemeinsames Ziel“, fuhr Raphael ruhig fort. „Du willst Eleanors Seele retten um vor mir nicht als ihre Mörderin da zu stehen und ich will…“
    „Was könnte es mich scheren, was du von mir denkst!“, schrie Lilith unbeherrscht. Ihr Blick war nun so abgrundtief bösartig und scharf, dass ein Mensch vor ihr zurückgewichen wäre. Selbst Raphael war unter ihren Worten unwillkürlich zusammengezuckt. Doch stattdessen erhob er sich und ging langsam auf sie zu.
    „Ich weiß, was in dir geschieht“, sprach er sanft, nachdem er vor ihr stehengeblieben war. „Denke nicht, dass ich nicht gesehen hätte, was du fühlst und wir du zu mir stehst. Ich habe es gesehen!“
    Irritiert sah Lilith zu ihm auf. Dann wurden ihre Züge plötzlich weich und verletzlich, als sie verstand. Das rote Leuchten ihres Körpers erstarb und wich einem unruhig flackernden Lichtschein.
    „Wenn das so ist, warum…“, begann sie leise.
    „Schhh“, flüsterte Raphael. Behutsam legte er seine Finger auf Liliths Mund und unter dieser Berührung schloss sie die Augen und begann unwillkürlich zu zittern.
    „Ich bin Eleanor verpflichtet und ich liebe sie“, flüsterte er. „Aber ich weiß, dass du kein böses Wesen bist. Du hast vielleicht keine reine Seele aber dein Herz ist dennoch gut, du bist faszinierend und wunderschön… Ich weiß, dass du nur nach dem suchst, was wir alle suchen… Ich wäre dir gern näher als ich es sein kann… aber ich habe ihr mein Wort gegeben… sie zu beschützen und kein Übel an sie heranzulassen. Sag selbst, Lilith – würdest du mich lieben, wenn ich mich nicht daran halten würde? Wenn du Angst haben müsstest, dass ich auch dich eines Tages fallenlasse? Das alles mag dir ungerecht erscheinen. Vielleicht verfluchst du das Schicksal, vielleicht verfluchst du Gott…“
    Betreten blickte Lilith zur Seite.
    „… aber verfluche nicht deine Gefühle zu mir.“
    Eine Weile war es vollkommen still. Und dann traten plötzlich Tränen in Liliths Augen, als sie zu ihm emporsah.
    „Kannst du mir einen einzigen Grund sagen, warum ich das nicht tun sollte?“, fragte sie tonlos. „Nur einen einzigen Grund?“
    In diesem Moment hing ihr Blick so flehend und fragend an ihm, dass er den seinen um nichts in der Welt hätte von ihr lösen wollen. Und in diesem einen Augenblick erkannte er, wie verletzlich Lilith sein konnte und wie leicht die richtige Person sie zerstören konnte. Er war diese Person. Er war in diesem Universum der einzige, der sie vernichten konnte und die Welt der Engel würde aufatmen. Doch zugleich durchfuhr ihn die Erkenntnis wie ein Blitz, dass er es niemals über sich bringen würde. Nicht in hunderttausend Jahren würde er sie zerbrechen wollen. Nicht für die Gefühle, die sie mit ihm verband. Eleanor mochte auf seine Liebe und seinen Schutz bauen können, doch von nun an würde er auch Lilith nicht mehr fallen lassen können. Jener Augenblick im Wald, als sie Gott verflucht und Raphael dadurch zum ersten Mal in ihre Seele blicken konnte, hatte alles verändert.
    Das Schweigen zwischen den beiden dehnte sich ins Unermessliche, während keiner den Blick vom anderen zu lösen vermochte. Um sie herum hätte die Welt untergehen können, doch sie hätten es nicht bemerkt. Und noch immer sagte Raphael kein Wort.
    Liliths Augen weiteten sich, als sie endlich die Wahrheit erkannte. „Du liebst mich“, flüsterte

Weitere Kostenlose Bücher