Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
Vom Netzwerk:
ganzen Leib zu zittern begonnen.
    „Vater?“, echote Michael, doch seine Stimme war so leise, dass niemand sie wahrnahm.
    „Hat es dich also auch an diesen Ort verschlagen“, stellte der Mann sichtlich befriedigt fest. „Hätte ich mir denken können, dass meine feine Tochter auch nicht besser ist als ich.“
    „London!“, flüsterte Elizabeth. „Dies ist das Krankenhaus, in dem du gestorben bist!“
    Ein grausames Grinsen zog sich über die Züge des Herrn von Stratton Hall.
    „Du hast es erkannt. Und es verschafft mir eine gewisse Genugtuung dich hier zu sehen. Immerhin hattest du mit meinem Tod zu tun!“
    „Was?“, keuchte verwirrt Michael entsetzt. „Was meint er damit, Elizabeth?“
    Er versuchte ihren Blick einzufangen, doch sie stand einfach nur vollkommen reglos da und starrte mit ausdrucksloser Miene ihren Vater an.
    „Sag es ihm, Elizabeth!“, forderte der sie auf und das hämische Grinsen gab ihm etwas Wölfisches und Gefährliches.
    „Er hat recht“, hauchte sie nach einer Weile schließlich tonlos. „Ich bin für seinen Tod verantwortlich.“
    „Wie kann das sein?“, fragte Michael, während er fassungslos zwischen den beiden hin- und herblickte.
    „Das würde mich auch interessieren“, warf Elizabeths Vater grausam ein. „Zumindest aus deinem Mund, Miststück. Der Dämon, der mich hier festhält, ist diesbezüglich nur wenig mitteilsam.“
    „Ich…ich…“, stammelte Elizabeth unbeholfen. Dann senkte sie den Blick und begann zu weinen. Michael nahm sie in die Arme und wiegte sie sanft.
    Eine Weile war nur ihr Schluchzen zu hören, das den kahlen Krankenhausflur entlang hallte. Dann jedoch durchschnitt die scharfe Stimme ihres Vaters mitleidlos die Stille.
    „Sag es ihm, Elizabeth! Erzähl ihm von deiner Sünde! Oder bist du nicht einmal dazu in der Lage?“
    „Halten sie den Mund!“, schrie Michael ihn an. „Sehen sie nicht, wie sie unter ihren Worten leidet?“
    Von einem Augenblick auf den anderen war Elizabeths Vater herangerauscht und stand nun dicht vor Michaels Gesicht.
    „Was erlaubst du dir, du mieser Dr ecksack?“, zischte er drohend. „Zu meiner Zeit hat sich Abschaum wie du nicht in meine Gegenwart gewagt!“
    In diesem Augenblick traf eine Welle von Hassgefühlen Michael so stark, dass er beinahe in die Knie gegangen wäre. Noch immer stand der Herr von Stratton reglos vor den beiden, doch seine Augen leuchteten plötzlich kalt und in wilder Boshaftigkeit. Michael und Bess wanden sich vor Schmerzen. Ihre Qualen waren so real und körperlich, dass sie unwillkürlich zu schreien begonnen hatten und sich zuckend hin und her warfen.
    „Ja, schreit nur, ihr zwei!“, drang die Stimme von Elizabeths Vater durch ihre Schmerzen. „Ruft nur die Akoloythoi herbei!“
    Dann begann er zu lachen. Laut und seelenlos wie es nur ein Mensch vermag, den das Leid anderer nicht berühren kann. Dumpf und kaum verständlich durchdrangen seine Worte und das irre Gelächter die Mauer der Qualen, die Michaels Verstand umnebelten.
    „Raus hier!“, keuchte er, während er sich noch immer unter Schmerzen krümmte. Unter Aufbietung all seiner Kräfte griff er nach Elizabeths Handgelenk und zog sie hinter sich her. Längst konnte er ihren Vater nicht mehr anblicken, denn die Krämpfe, die ihn noch immer unablässig durchzuckten, waren so übermächtig, dass er kaum den Kopf zu heben vermochte. Die ganze Welt bestand in diesem Augenblick allein aus Leid und nur sein Selbsterhaltungstrieb brachte ihn Meter für Meter der Tür näher. Mit letzter Kraft stieß er schließlich die gläserne Schwingtür auf und zog Elizabeth hinter sich hindurch. Dann brach er auf dem Boden zusammen.
    „Er kommt uns nicht nach!“, keuchte Elizabeth. „Er ist in diesem Gang gefangen!“
    Kraftlos wies sie auf die Glastür, hinter der sie noch immer die Silhouette ihre Vaters erkennen konnte. Ganz still stand er dort, nicht eine einzige Bewegung war zu erkennen. Doch die Wellen seines kranken Hasses erreichten sie hier nur noch schwach.
    „Steh auf, Michael!“, wimmerte Elizabeth hilflos, während sie sich verzweifelt darum bemühte, ihn wieder auf die Beine zu bekommen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er sich schließlich am ganzen Leib zitternd erhob und unsicher neben ihr zu stehen kam.
    „Wir müssen hier weg!“, weinte sie. „Die Akoloythoi können jeden Augenblick hier sein!“
    Vollkommen geistesabwesend nickte Michael und gemeinsam stolperten sie den langen Krankenhausflur entlang, in

Weitere Kostenlose Bücher