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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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zog. Zum ersten Mal fragte Eleanor sich, ob dieser Teil der Hölle tatsächlich nur aus Felsen bestand, oder ob es irgendwo dort oben einen Himmel und eine oberirdische Landschaft gab. Wenn es so war, wie viele Kilometer Felsgestein mochten jetzt über ihren Köpfen lasten?
    Auch wenn der Gang instabil wirkte, so schien er doch sicher zu sein. Sie stießen auf keine Akoloythoi und ebenso wenig auf Sünderseelen, die in diesem Teil der Hölle eine ebenso große Gefahr gewesen wären. Es mochten indes einige Stunden vergangen sein, als Eleanor plötzlich stehenblieb. Sofort war William an ihrer Seite.
    „Was gibt es Milady?“, fragte er.
    „Hörst du es nicht?“
    William legte den Kopf schief und lauschte. „Stimmen?“
    „Ja“, flüsterte Eleanor. „Irgendwo vor uns.“
    William wandte sich um und bedeutete den anderen leise zu sein. Dann setzten sie sich beinahe lautlos in Bewegung. Der Gang beschrieb hier eine abschüssige Linkskurve und sie waren erst wenige Meter gegangen, als ihnen im dämmrigen Zwielicht eine Gestalt entgegenkam. Eleanor schrie auf und in beiden Enden der Kurve gab es panische Reaktionen, Schreie, stolpernde Menschen und Warnrufe.
    Toby und Robert schossen an William und Eleanor vorbei und verstellten den Entgegenkommenden den Weg. Sie würden niemanden an Eleanor heranlassen, so viel war sicher.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sich in dem Durcheinander Roberts Stimme durchzusetzen vermochte.
    „Wer seid ihr?“, brüllte er.
    Der Lärm erstarb und erst jetzt erkannten Eleanor und ihre Begleiter, dass sie es mit Menschen zu tun hatten. Vielleicht zehn oder zwölf Menschen, die einen schrecklich abgerissenen und gehetzten Eindruck machten.
    „Sünder!“, erklang schließlich die Stimme eines Mannes am Kopf des Zuges. „Wir sind Sünder!“
    „Sünder?“, schaltete sich William ein. „Was macht ihr hier? Müsstet ihr nicht am Ort eurer Strafe gefangen sein?“
    Einen Augenblick lang war es still. Dann erwiderte der Mann: „Und ihr? Müsstet ihr nicht ebenfalls an einem solchen Ort sein?“
    Es hatte herausfordernd und trotzig geklungen, doch Robert ging nicht darauf ein.
    „Wir gehören nicht länger hierher“, sagte er. „Wir stammen nicht einmal aus diesem Teil der Hölle.“
    „Sind eure Wachen auch abgezogen worden?“, fragte sein Gegenüber aufgeregt. „Vielleicht ist das überall in der Hölle geschehen. Vielleicht ist dies das Ende der Schöpfung und der Tag des Jüngsten Gerichts steht unmittelbar bevor…“
    „Wovon redest du, Mann?“, schaltete Toby sich ein.
    Der Mann sah ihn verwirrt an. „Wovon ich rede? Wir waren alle am selben Ort gefangen und mussten Sklavenarbeiten verrichten“, er zeigte auf die Gruppe hinter sich. „Wir sind jahrhundertelang von drei Akoloythoi bewacht worden, die uns an jenem Ort festhielten. Es war gar nicht weit von hier. Dann ist plötzlich ein Engel erschienen, einer der Gefallenen. Er wies seine Akoloythoi an, ihm zu folgen und seitdem sind wir frei!“
    Völlige Stille breitete sich im Korridor aus. Keiner konnte fassen, was sie soeben gehört hatten.
    „Man hat euch gehen lassen?“, fragte Eleanor fassungslos.
    „Nun, nicht direkt. Es war eher so, als seien wir ihnen plötzlich gleichgültig geworden. Sie haben uns einfach dort gelassen und es hat eine Weile gedauert, bis wir erkannten, dass uns niemand mehr dort festhält.“
    Wieder folgte Stille auf die Worte des Mannes. Keiner in Eleanors Gruppe konnte sich einen Reim auf diese verworrenen Geschehnisse machen.
    „Und ihr habt nicht mitbekommen, warum eure Wächter abgezogen wurden?“, fragte William schließlich misstrauisch.
    „Der Engel sagte den Akoloythoi, sie würden auf die ‚Jagd‘ gehen. Mehr habe ich nicht hören können“, erwiderte der Fremde.
    Robert und Toby wandten sich wortlos zu Eleanor und William um, so dass sie die beiden nun noch stärker gegen die Neuankömmlinge abschirmten.
    „Es geht um uns!“, flüsterte Toby. „Sie werden uns jagen!“
    „Warum denkst du das?“, gab Eleanor ebenso leise zurück.
    „Weil Akoloythoi die Hölle nicht verlassen können. Also kann es keine Jagd in der Welt der Lebenden sein, es muss eine Jagd in der Hölle gemeint sein. Wir haben im neunten Kreis bereits Kontakt mit Akoloythoi gehabt. Sicher haben sie ihre Begegnung mit uns an ihre Herren weitergegeben.“
    Eleanor zögerte, dann blickte sie William an ihrer Seite an.
    „Siehst du das genauso?“, fragte sie.
    William nickte. „Ja, ich denke Master

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