Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)
Toby hat recht. Und es bereitet mir Sorge, dass sie darüber sogar die sündigen Seelen vernachlässigen, um unserer habhaft zu werden.“
„Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Robert. Sie sahen einander ratlos an.
„Können wir mit euch gehen?“, erklang in diesem Moment die Stimme des Anführers der anderen Gruppe. Sie wandten sich erstaunt um.
„Du willst mit uns kommen?“, fragte Eleanor. „Warum? Du kennst doch nicht einmal unser Ziel.“
„Was kann euer Ziel schon sein? Ihr wollt hier raus, wie wir alle. Ob ihr dafür einen Umweg geht oder nicht ist völlig egal. Aber je größer unsere Gruppe ist, desto stärker sind wir!“
„Geht nicht darauf ein, Milady!“, flüsterte William. „Bislang waren wir erfolgreich, weil unsere Gruppe klein ist. Aber wenn sie weiter anwächst, wird man uns nur umso leichter entdecken.“
„Vermutlich hast du recht, William“, gab Eleanor zu. „Aber wie kann ich es ihnen abschlagen? Sie sind in der gleichen Lage wie wir. Wäre es nicht so, hätten wir auch die Menschen aus dem Feuersee nicht mitnehmen dürfen.“
William verzog das Gesicht. Ihm war bewusst, dass Eleanor recht hatte, doch das schlechte Gefühl, das sich seiner bemächtigt hatte, ließ sich nicht vertreiben.
„Ihr könnt mitkommen, aber wir gehen in die Richtung, aus der ihr gekommen seid!“, sprach Eleanor zu den Menschen der anderen Gruppe.
„Nur wenige hundert Meter in jener Richtung gabelt sich der Tunnel“, meinte der fremde Anführer. „Wir kamen aus dem rechten Gang. Er führt an jenen Ort, wo uns die Akoloythoi gefangen hielten. Nehmen wir dieses Mal den linken.“
Ein leises Raunen hob hinter ihm an, doch Eleanor beachtete es nicht und nickte. Entschlossen setzte sie sich in Bewegung und ging an der Gruppe vorbei, während William, Toby, Robert, Allys und Kathryn ihr unmittelbar folgten. Hinter ihnen vermischten sich die zwei Gruppen.
Sie waren tatsächlich erst wenige Minuten gegangen, als sie auf die Gabelung stießen, die man ihnen angekündigt hatte.
„Hier links!“, beeilte sich hinter Eleanor der Mann zu sagen, der mit seiner Gruppe von hier gekommen war. Wieder ging ein Murmeln durch die Menge hinter ihnen, doch der Fremde wandte sich um und zischte: „Werdet ihr wohl still sein? Sonst hört uns am Ende doch noch einer der Dämonen!“
Eleanor blieb stehen.
„Wie ist dein Name?“, fragte sie.
„Ibrahim“
„Bist du sicher, dass du weißt, was du tust, Ibrahim?“
Ibrahim schluckte. „Ja, ich weiß, was ich tue. Auf diesem Weg werden wir sicher sein.“
„Gut“, erwiderte Eleanor langsam. „Dann kommt weiter.“
Sie waren indes noch nicht weit gegangen, als sich der enge Tunnel plötzlich weitete und sie eine Höhle betraten, deren Dimensionen durchaus mit denen des Seelenlochs vergleichbar waren. Vollkommen leer und still war es hier, keine Seele war zu sehen. Zögernd gingen sie voran. Nach rund hundert Metern hatten sie die Mitte der Höhle erreicht und standen unvermittelt vor einem gewaltigen Riss im Boden, in dem sich eine dampfende, ölige Masse befand. Es schien Pech oder Teer zu sein, der hier vor sich hin brodelte. Ibrahim lief bei diesem Anblick ein sichtbarer Schauer über den Rücken.
„Was hast du?“, fragte William misstrauisch.
„Nichts…“, flüsterte Ibrahim, ohne den starren Blick von jener Felsspalte wenden zu können. „Ich habe nichts…“
Dann ging plötzlich ein Ruck durch ihn und er schrie: „Hier! Wir sind hier! Kommt und holt sie euch!“
„Was tust du?“, rief Robert und warf sich auf Ibrahim. „Du verrätst uns alle!“
Die beiden fielen übereinander her. Robert versuchte mit allen Mitteln, seinen Kontrahenten zum Schweigen zu bringen, doch dieser brüllte noch immer aus Leibeskräften. Auch einige andere aus seiner Gruppe hatten jetzt zu rufen begonnen und auch um diese Menschen herum kam es nun zu Rangeleien und Handgreiflichkeiten. Williams dünne Gestalt tanzte derweil um das Geschehen herum und flehte unentwegt: „Bringt sie zum Schweigen! Bringt sie doch endlich zum Schweigen!“
Eleanors Blick ging angsterfüllt zur Decke der Höhle und ebenso in sämtliche Winkel, doch von nirgendwo vermochte sie eine Bedrohung zu erkennen. Langsam begann ihre Furcht in Verwirrung umzuschlagen.
„Hört auf!“, schrie sie schließlich, „Hört doch endlich auf!“
Zunächst reagierte niemand, doch William und einige der Frauen, die sich nicht an den Auseinandersetzungen beteiligt hatten, waren auf sie aufmerksam
Weitere Kostenlose Bücher