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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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Djinn sind sehr gefährlich, sie können Macht ausüben über Männer.« Er zog eine Strähne ihres roten Haars unter dem Baumwolltuch hervor und ließ sie nachdenklich durch die Finger gleiten. »Was bist du, Cat’rin, Frau oder Djinn?«
    Sie zog ihr Haar zurück und steckte es wieder unter das Tuch. »Ich bin eine Frau aus Fleisch und Blut«, antwortete sie scharf.
    »Das sind die gefährlichsten, fürchte ich.«
    Damit verbeugte er sich spöttisch und verließ den Raum.

FÜNFUNDZWANZIG
    W ir lasen zusammen in dem Buch, Idriss und ich, bis die Sonne aufging. Die ersten Strahlen stahlen sich durch die Ritzen der Fensterläden im Salon und zerteilten alles, was sie berührten, in Streifen von hell und dunkel. Wo die Sonne Idriss ’ Hand auf dem Tisch streifte, verlieh sie seiner Haut einen blassen, schimmernden Goldton, der beinahe weiß war. Meine dagegen lag im Schatten, und das Buch war in zwei Teile gespalten, eine Hälfte im Licht, die andere verborgen. Ich wollte etwas zu dieser Beobachtung sagen, denn sie kam mir irgendwie bedeutsam vor, doch ich war zu müde, um den Gedanken in Worte zu fassen und überließ mich stattdessen dem eisernen Griff eines tiefen Gähnens.
    »Warum hat der raïs sie an diesen Kaufmann verkauft?«, fragte ich verwirrt. »Oder sind er und dieser Qasem ein und derselbe? Aber warum hätte er sie kaufen sollen, wenn sie doch schon ihm gehörte? Das verstehe ich nicht.«
    »Sie brauchen etwas Schlaf«, sagte Idriss fest. »Hier.« Er nahm das Buch, klappte es behutsam zu und legte es in meine Hände. »Wenn Sie zwei Stunden geschlafen haben, lesen wir es zusammen zu Ende, dann frühstücken wir, und später besuchen wir Khaled.« Er zögerte. »Und beim Frühstück möchten Sie vielleicht auch das hier lesen.«
    Er hielt mir drei relativ zerknüllte Blätter hin. Ich starrte darauf, ohne zu registrieren, worum es sich handelte. Stirnrunzelnd wollte ich danach greifen, doch er zog sie zurück. »Nicht jetzt.«
    Dann ging mir mit einem unangenehmen Schock auf, was es war: Die Nachricht und die Fotokopien, die Michael im riad für
mich hinterlassen hatte. Ich hatte sie zusammengefaltet ins Stolz der Stickerin gelegt und sie dann völlig vergessen. Genauso wie Michael. O Gott, was sollte ich bloß gegen Michael und seine hartnäckige Verfolgungsjagd unternehmen?
    »Geben Sie sie mir!«, rief ich.
    Er grinste. »Jetzt weiß ich etwas über die Geschichte Ihrer Catherine, was Sie nicht wissen«, sagte er, als wollte er mich aufziehen, und die Sonne machte seine Augen rätselhaft wie die einer Katze. »Eine Frage ging mir nicht aus dem Kopf und brachte mich schließlich auf die Möglichkeit, dass Ihr Buch auch eine Fälschung sein könnte. Die Frage lautete: Wenn es tatsächlich auf einem Sklavenschiff den weiten Weg über das Meer bis nach Salé gelangt war, wie hatte es dann wieder nach England zurückgefunden, und wie war es schließlich in die Hände der außergewöhnlichen Miss Julia Lovat gefallen?«
    »Und jetzt wissen Sie es?«
    »Ich habe eine Idee … eine Theorie. Und ich bin mehr denn je überzeugt, dass es sich um ein authentisches Dokument und keine Fälschung handelt.«
    »Und das wissen Sie aus den Blättern, die Sie da haben?«
    »Zumindest scheinen sie auf etwas hinzudeuten … etwas Bemerkenswertes.«
    »Ich wünschte, Sie würden es mir erzählen.«
    »Ich möchte Ihnen nicht die Geschichte verderben.« Er lächelte. »Geschichten soll man in der richtigen Reihenfolge erzählen - und zur richtigen Zeit. Haben Sie denn nichts aus Tausendundeiner Nacht gelernt?«
    »Das hier ist kein Märchen«, sagte ich frostig, »und außerdem gehören diese Sachen mir. Woher nehmen Sie sich das Recht, sie mir vorzuenthalten?«
    Er zog die Brauen hoch. »Wenn Sie jetzt schon so schlecht gelaunt sind, wie schlimm wird es erst sein, wenn Sie nicht bald etwas Schlaf bekommen? Aber machen Sie sich keine Sorgen, ich hebe alles gut für Sie auf.« Damit faltete er die Blätter seelenruhig
zusammen und steckte sie unter sein Hemd. »Sie sehen, ich werde sie direkt am Herzen tragen, wenn ich einschlafe. Im Übrigen bleibt noch immer ein großes Stück des Rätsels ungelöst, und wenn wir dahinterkommen wollen, stehen Sie - wie Ihre Catherine - vor einer wichtigen Entscheidung. Aber wichtige Entscheidungen sollte man nie unausgeschlafen fällen.«
    Erneut gähnte ich tief. Wenn ich nicht aufpasste, würde mein Kopf den Fotokopien folgen und ich an Idriss’ Brust einschlafen. Wäre das denn so

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