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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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bitten für all deine leichtfertigen Gedanken und gotteslästerlichen Taten. Erst gestern sah ich dich im Obstgarten für deinen armen unschuldigen Vetter Apfelblüten pflücken, nur um ihm deine Knöchel zeigen zu können, ganz wie die richtige Eva.«
    Cat zuckte mit den Schultern und ging Richtung Küche. »So etwas habe ich nicht getan, und mein Gewissen ist völlig rein«, sagte sie scharf.
    Nell wich zurück, als könnte eine Berührung des roten Kleides
die Sünde auf sie übertragen. »Du bist eine Verführerin, eine Jezabel, und der Herr wird dich für deinen Dünkel strafen.«
    Cat rauschte an ihr vorbei wie ein aufgetakeltes Schiff. »Wenigstens bin ich keine scheinheilige alte Hexe«, sagte sie, kaum hörbar.
    Nell starrte ihr nach, misstrauisch, aber ein kleines bisschen taub.
     
    Nachdem sie dermaßen geschuftet hatte, um den Speisesaal vorzubereiten, hoffte Cat, Lady Harris’ Gunst gewonnen zu haben. Stattdessen wurde sie in die Schlafkammer verbannt, um ihrer Herrin eine neue Garnitur Unterwäsche zu nähen. Irgendetwas an der Natur und der Wahl des Zeitpunkts für diese Aufgabe sorgte dafür, dass sich ihre Nackenhaare sträubten wie die des alten Jagdhunds Blind Jack, wenn die Katzen der Farm sich an ihm vorbeischlichen, um sein Futter zu stibitzen, aber sie hatte nichts machen können, außer zustimmend den Kopf zu senken und sich rasch abzuwenden, bevor irgendwer sah, wie verzweifelt sie war. Sie war die Treppe hinaufgeflogen, hatte Stoffballen und Nähkorb herausgesucht und sich immer noch wutschnaubend in den Sessel mit der hohen Rückenlehne vergraben. Mit Hilfe einer alten Unterhose als Modell hatte sie den Stoff zurechtgeschnitten und mit so viel Eifer, wie sie für eine solche Arbeit nur aufbringen konnte, gestichelt und gesäumt. Trotz aller Versuche, sich in die Arbeit zu vertiefen, war der Gedanke an die ungerechte Behandlung immer wiedergekehrt, wie ein Hund, der an der Tür kratzt. Es brachte sie zur Raserei, dass die bornierte Matty und die missmutige Nell sich da unten sauber und herausgeputzt darauf vorbereiteten, bei Tisch zu bedienen, und nicht sie. Es wäre zwecklos, Matty zu fragen, was zwischen den Gästen besprochen worden war - sie hatte das Gedächtnis einer Mücke -, und die Möglichkeit, sich freiwillig mit Nell Chigwine über ein solches Thema zu unterhalten, war einfach unvorstellbar. Frustriert biss sie sich auf die Lippen, bis sie bluteten, was
sie jedoch erst bemerkte, als ein roter Tropfen auf das feine weiße Leinen fiel, wo er sich wie eine Wunde ausbreitete.
    »Verflixt!«, schäumte Cat. Sie schleuderte das ruinierte Teil zu Boden. Es war beinahe fertig gewesen, sie hätte nur noch das Bündchen mit einem Seidenband verstärken müssen. Nun blieb ihr nichts anderes übrig, als noch einmal ganz von vorn anzufangen, in der Hoffnung, dass Lady Harris in ihrer üblichen knauserigen Art den Stoffballen nicht nachmessen und das Missverhältnis entdecken würde, sonst müsste sie ihr Missgeschick eingestehen und die drei Pennys bezahlen, die sie vergeudet hatte. Sie seufzte tief, hob das verdorbene Teil wieder auf und trat damit ans Fenster.
    Durch die Butzenscheiben erspähte sie fünf Reiter, die auf das Haus zukamen und durchs Gras pflügten, als wäre es das Meer. Der erste war unverkennbar Sir Arthur: Der große Grauschimmel war Kerrier aus ihren eigenen Stallungen. Hinter ihm folgten zwei Reiter mit dunklen Umhängen, ein älterer Gentleman auf einer prächtigen, kastanienbraunen Stute, den sie als ihren Nachbarn Sir Francis Godolphin ausmachte, regelmäßiger Gast auf Kenegie, und ein untersetzter Mann, ganz in Schwarz mit einem aufwändig mit Federn geschmückten Hut. Die Hufe klapperten im Hof, und Sir Arthur schwang sich steif aus dem Sattel, bevor er Jim, dem Stallburschen, die Zügel zuwarf. Cat öffnete das Fenster, um besser sehen zu können, und genau in diesem Moment, möglicherweise durch das Geräusch des Riegels aufmerksam geworden, sah der letzte Mann auf und blickte ihr geradewegs in die Augen. Seltsamerweise wandte er den ganzen Weg durch den Hof den Blick nicht ab, wobei ein seltsames, leichtes Lächeln um seinen Mund spielte. Dann saß er so schwungvoll ab, dass ihm der Hut vom Kopf flog und den Blick auf sein rotblondes Haar und einen akkurat gestutzten roten Bart freigab. Er sah ganz und gar nicht aus wie ein Mann, den Sir Arthur in wichtigen Angelegenheiten zu Rate ziehen würde, fand Cat.

    Wenige Augenblicke später waren die Besucher im

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