Die zehnte Kammer
Schicksal erwartete, und machten sich vor Angst in die Hosen. Die Anwesenheit einer hübschen Frau wie Odile wirkte keineswegs beruhigend, zumal sie sich eine schwere Axt über die Schulter gelegt hatte. Bonnet hielt den Männern eine wütende Strafpredigt und verkündete, dass sie für ihre Verbrechen leiden müssten, bevor sie sterben durften.
Was folgte, war eine grauenhafte Orgie von Axthieben, bei der den Deutschen erst Arme und Beine abgehackt und dann ihre Körper zermetzelt wurden.
Eines Tages erreichte Bonnet die Nachricht, dass Squad 70 die Aufmerksamkeit der Exilregierung in Algerien erweckt habe und General de Gaulle ihn persönlich kennenlernen wolle. Bonnet hasste es zu verreisen, weshalb er Dr. Pelay nach Algier schickte, der dort von den beiden Präsidenten des Französischen Komitees für ein freies Frankreich, den Generälen Charles de Gaulle und Henri Giraud, belobigt und gefeiert wurde. Die Maquisards von Ruac galten den beiden als die mutigsten von ganz Frankreich.
Pelay kam mit einem Orden zurück, den er bei ihren geheimen Treffen stolz an seiner Brust trug, obwohl er, wie Odile fand, eigentlich ihrem Vater gebührt hätte.
Im Juli 1944 verschwanden Bonnet und Pelay eine Woche lang, um Verbindung mit einer Gruppe von Maquisardführern in Lyon aufzunehmen. Als sie zurückkehrten, informierten sie die Gruppe, dass für die Nacht des 26. Juli eine große Aktion geplant sei. Wenn sie Erfolg hatte, würde das eine Menge Boches das Leben kosten, und außerdem war ein Haufen Geld im Spiel.
Zuerst erzählte ihnen Bonnet, wie ihre Rolle während des Überfalls eigentlich aussehen sollte.
Dann erklärte er, was sie stattdessen tun würden.
Odile versteckte sich zusammen mit der Gruppe aus Ruac in einem Wald neben der Eisenbahn. Bis heute erinnerte sie sich an ihr Herzklopfen, als der Zug sich näherte. Es war erst am frühen Abend gewesen und noch hell. Die Partisanen hätten natürlich den Schutz der Dunkelheit bevorzugt, aber sie hatten keinen Einfluss auf die Fahrpläne der Deutschen.
Die Gruppe von Ruac verfügte über ein Maschinengewehr und zwei Maschinenpistolen. Alle anderen, Odile mit eingeschlossen, hatten Pistolen. Ihre war eine polnische Vis, Kaliber neun Millimeter, die häufig Ladehemmung hatte. Ihr Vater und ihr Bruder hatten zusätzlich Handgranaten.
Als der Zug auf seinem Weg zu dem mit sechzig Kilo Picatrin präparierten Viadukt an Odile vorbeifuhr, zählte sie die Güterwaggons. Sie war bei fünf, als der Sprengstoff direkt unter der Lokomotive explodierte. Der Zug kam abrupt zum Stehen, wobei die Waggons sich ineinanderschoben, und direkt ihnen gegenüber öffnete sich eine Schiebetür, aus der sie drei noch vollkommen benommene deutsche Soldaten anstarrten. Odile feuerte alle acht Kugeln in ihrem Magazin auf sie ab, und weil sie nur zehn Schritte von ihnen entfernt war, sah sie, wie jede Kugel traf und aus den Austrittswunden das Blut spritzte.
»Gute Arbeit«, hörte sie ihren Vater sagen.
Die Gruppe von Ruac kümmerte sich um die beiden letzten Güterwaggons, während andere Gruppen die vorderen Wagen überfielen. Der Plan war, den gesamten Inhalt des Zuges auf schwere Lastwagen zu verladen und zum Hauptquartier der Résistance in Lyon zu bringen.
Bonnet hatte andere Vorstellungen. Die Güterwaggons der Ruac-Gruppe waren mit Geldscheinen, Goldbarren und einer Kiste mit der anmaßenden Aufschrift ZUR LIEFERUNG AN REICHSMARSCHALL GOERING PERSÖNLICH beladen.
Bonnet und Pelay warfen Handgranaten in den Wald, um den Eindruck zu erwecken, dass sie in schwere Kämpfe mit den Deutschen verwickelt wären. In dem bewusst inszenierten Durcheinander fanden alle blutbespritzten Kisten aus diesen beiden Waggons ihren Weg auf spezielle Lastwagen, die von Mitgliedern des Maquis von Ruac gefahren wurden.
In weniger als einer halben Stunde befand sich die Beute in Ruac, und die Führung der Résistance sollte nie erfahren, wo sie abgeblieben war.
Im unterirdischen Versteck der Gruppe nahm Bonnet eine Brechstange und stemmte damit die Sperrholzkiste auf, die für Göring bestimmt gewesen war. Sie enthielt das Gemälde eines schönen jungen Mannes, der einen Pelzmantel trug.
»Wenn der alte Fettarsch Göring das haben wollte, ist es bestimmt einiges wert«, sagte Bonnet und hielt das Bild hoch, damit alle es sehen konnten. »Hier, Odile, das ist für dich, da hast du wenigstens einen hübschen Mann zum Anschauen. Den hast du dir heute Abend verdient.«
Odile verliebte sich sofort in
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