Die Zeit: auf Gegenkurs
und der Hahn hatte die Innenladung verfehlt.
Tinbane feuerte blitzschnell hintereinander neun ungezielte Schüsse ab, bestrich beide Büros. Er betätigte den Abzug seiner Dienstwaffe, bis die Zimmer von Querschlägern erfüllt waren, die sich alle mit einer Geschwindigkeit bewegten, die lediglich betäuben oder geringe Verletzungen hervorrufen oder blenden würden – er gab einen weiteren Schuß ab, als er in den Korridor humpelte und dann, so gut es ging, den Korridor hinauf zur Treppe wankte, die Wunde an seinem Fuß verfluchend, von Schmerzen gepeinigt, behindert; er kam nur langsam voran und er spürte die Verfolger hinter sich, irgend etwas im Schilde führend … Was für ein Haufen Essen, dachte er wild; daß es mich ausgerechnet am Fuß erwischen mußte! Als die Tür zum Treppenhaus hinter ihm ins Schloß fiel, explodierte im Korridor ein Schrotkugelgeschoß; die Glasscheibe der Tür zerbarst und Splitter trafen ihn am Nacken, am Rücken und an den Armen. Aber er stolperte weiter, die Treppe hinauf. Als er den obersten Treppenabsatz erreichte und das Dach greifbar nahe war, feuerte er seinen letzten Schuß ins Treppenhaus, füllte es mit hin und her pfeifenden Kügelchen, die jeden aufhalten würden, sofern er nicht riskieren wollte, zu erblinden, und dann humpelte er mit seinem verletzten Fuß zum Streifenwagen.
Lotta befand sich neben dem Wagen, nicht im Innern; sprachlos sah sie zu. ihm auf, und er öffnete ihr die Wagentür und schob sie hinein. »Sperren Sie die Tür ab«, befahl er, hinkte zur Fahrerseite, stieg ebenfalls ein, verriegelte die Tür. Eine Gruppe Löscher tauchte jetzt auf dem Dach auf, aber sie wimmelten verwirrt durcheinander; einige schienen einen gezielten Schuß auf den Streifenwagen abgeben, andere ihn mit ihren eigenen Wagen verfolgen und wiederum andere aufgeben zu wollen.
Er startete, gewann an Höhe, beschleunigte, was der Motor hergab – er war wie die Motoren aller Polizeiwagen frisiert – griff dann nach seinem Mikrofon und sagte zu dem wachhabenden Beamten in der Funkzentrale seines Reviers: »Ich bin auf dem Weg ins Peralta-Krankenhaus; schicken Sie für alle Fälle einen zweiten Wagen zum Krankenhausparkplatz.«
»Okay, 403«, bestätigte die Zentrale. »301, stoßen Sie am Peralta-Krankenhaus zu 403.« Die Zentrale wandte sich wieder an Tinbane. »Sind Sie nicht außer Dienst, 403?«
»Ich habe auf dem Heimweg Schwierigkeiten gehabt«, erklärte Tinbane. Sein Fuß pochte, und er war müde, todmüde. Ich werde eine Woche lang im Bett liegen müssen, sagte er sich, als er vorsichtig nach unten griff, um den Schuh seines verletzten Fußes aufzuschnüren. Nun, den Job als Ray Roberts’ Leibwächter kann ich damit vergessen.
Lotta bemerkte, daß er an seinem Schuh herumfummelte, und fragte: »Sind Sie verletzt?«
»Wir hatten Glück«, sagte er. »Sie waren doch bewaffnet. Aber sie haben keine Erfahrung mit bewaffneten Auseinandersetzungen.« Er reichte ihr den Vidfonhörer. »Rufen Sie Ihren Mann im Vitarium an; ich habe ihm gesagt, daß ich ihm Bescheid geben werde, wenn ich Sie herausgeholt habe.«
»Nein«, schüttelte Lotta den Kopf.
»Warum nicht?«
»Er hat mich in die Bibliothek geschickt«, erklärte Lotta.
Schulterzuckend meinte Tinbane: »Das stimmt allerdings.« Seine Verletzung machte ihm zu sehr zu schaffen, als daß er mit ihr streiten wollte; außerdem hatte sie recht. »Aber ich hätte Ihnen die Informationen geben können«, erinnerte er. »Das ist das Schäbige an mir und an dem, was ich getan habe. Sie könnten mir ebenso die Schuld geben wie ihm.«
»Aber Sie haben mich herausgeholt«, sagte Lotta.
Auch damit hatte sie recht; er mußte es einräumen.
Zögernd streckte Lotta die Hand aus und berührte seine Wange, sein Ohr; sie betastete sein Gesicht mit ihren Fingern, als wäre sie blind.
»Was bedeutet das?« fragte er.
»Ich bin dir dankbar«, sagte Lotta. »Ich werde es immer sein. Ich glaube nicht, daß sie mich je hätten gehen lassen. Es schien ihnen Spaß zu machen, als wäre das Verhör, mit dem sie alles über den Anarchen herausbekommen wollten, nur ein … Vorwand.«
»Gut möglich«, brummte er.
»Ich liebe dich«, sagte Lotta.
Verblüfft starrte er sie an; ihr Gesichtsausdruck war entspannt, beinahe friedlich. Als hätte sie eine wichtige Entscheidung getroffen.
Er glaubte zu wissen, welche es war. Und seine Freude kannte keine Grenzen; er war in Hochstimmung – mehr als je zuvor in seinem Leben.
Auf dem Flug zum
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