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Die Zeit: auf Gegenkurs

Die Zeit: auf Gegenkurs

Titel: Die Zeit: auf Gegenkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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herauszugeben.«
    »Sie herauszugeben?« wiederholte Seb und wurde bleich. »Es klingt so, als würde man sie festhalten.«
    »Ich weiß, daß man sie nicht hinausgeworfen hat, als geschlossen wurde«, sagte er. Er war sich dessen absolut sicher; seine quasipsionische Fähigkeit, derartige Dinge zu beurteilen, hatte aus ihm den guten Polizisten gemacht, der er war. »Sie ist noch immer im Haus und wird dort festgehalten; sie würde nicht bleiben, wenn man sie nicht dazu zwingen würde.«
    »Ich rufe in der Bibliothek an«, sagte Sebastian dumpf.
    »Und was wollen Sie sagen?«
    »Daß ich meine Frau zurückhaben will!«
    »Okay«, nickte Tinbane, »versuchen Sie es.« Er gab Sebastian die Durchwahl seines Autovidfons. »Anschließend rufen Sie mich zurück und erzählen mir, was sie gesagt haben.« Er hielt weiter den Monitor des Gehirnwellendetektors im Auge; er zeigte noch immer sieben sich langsam bewegende Gehirne in seiner näheren Umgebung; die Lichtpunkte auf dem Schirm veränderten ständig ihre Position, doch nur ein wenig. Man wird dir sagen, daß sie dagewesen und wieder gegangen ist, dachte er. Vielleicht sagen sie auch, daß sie gar nicht gekommen ist. Und sie wissen nichts. Noli me tangere, dachte er; das ist der Wahlspruch der Bibliothek. Warnung: Misch dich nicht ein. Rühr mich nicht an. Diese Bastarde, sagte er sich.
    Fünf Minuten später leuchtete die Diode an seinem Vidfon auf; er nahm den Hörer ab. »Ich habe den Hausmeister erreicht«, sagte Sebastian bedrückt.
    »Und was hat er gesagt?«
    »Daß er allein in dem Gebäude ist; daß alle anderen, die Angestellten, alle, nach Hause gegangen sind.«
    »Unter mir befinden sich sieben Personen«, erklärte Tinbane. »Okay. Ich gehe hinunter und schau mich um. Ich rufe Sie an, sobald ich etwas Genaues weiß.«
    »Soll ich die Polizei anrufen?« fragte Sebastian.
    »Ich bin die Polizei«, erinnerte Tinbane und legte auf.
    Er aktivierte die Warnanlage des Gehirnwellendetektors, die ihn informieren würde, sobald sich ihm jemand auf eine Distanz von eineinhalb Metern näherte, und dann hastete er geduckt zur offenen Eingangstür der Bibliothek, in der einen Hand den Detektor, in der anderen seine Dienstpistole.
    Einen Moment später erreichte er über die Treppe das oberste Stockwerk.
    Geschlossene Türen. Dunkelheit und Stille; er fummelte an seiner Infrarottaschenlampe und knipste sie an. Ein Blick auf den Monitor des Gehirnwellendetektors verriet ihm, daß die sieben Lichtpunkte horizontal auf seiner Position und vertikal über eineinhalb Meter von ihm entfernt waren; die Warnanlage hatte nicht angesprochen. Hinunter ins nächste Stockwerk, entschied er. Als er die Treppe hinunterstieg, versuchte er sich daran zu erinnern, in welcher Etage sich Mavis McGuires private Büroflucht befand. Im dritten Stock, glaubte er.
    Die Warnanlage reagierte, der vertikale der beiden Glühfäden in der Kontrollbirne leuchtete auf. Er war im richtigen Stockwerk, nur noch horizontal von seinem Ziel getrennt. Sechste Etage, stellte er fest. Das Stockwerk, in dem der Löschungsrat untergebracht sein soll. Und in diesem Stockwerk war die Dekkenbeleuchtung nicht abgeschaltet; in gelbes Licht getaucht, lag der Korridor mit den geschlossenen Türen vor ihm.
    Er ging langsam weiter und blickte immer wieder auf den Monitor des Gehirnwellendetektors. Die sieben Punkte rückten auf der horizontalen Achse näher. Sie befanden sich alle mehr oder weniger auf einem Fleck; sie mußten in einem der Büros sein.
    Ich frage mich nur, was dabei für mich herausspringen wird, dachte Tinbane. Wahrscheinlich wird mich der Druck von Seiten der Bibliothek meinen Job kosten; ihr Einfluß auf die städtische Verwaltungsspitze ist groß. Zum Teufel damit, sagte er sich; es war sowieso kein guter Job. Und wenn er beweisen konnte, daß die Löscher Lotta Hermes mit Gewalt festgehalten hatten – auf jeden Fall würde es zu einer Untersuchung kommen, wenn sie bereit war, für ihn auszusagen. Aber das, erkannte er, würde bedeuten, daß Lotta vor Gericht erscheinen oder wenigstens Anzeige erstatten mußte, und davor würde sie zurückschrecken ; ihr mußte das genauso schrecklich erscheinen wie die Bibliothek. Nun, jetzt war es zu spät, um sich deswegen Sorgen zu machen; er konnte nur hoffen, daß Lotta rechtfertigen würde, was er – ohne Uniform, aber mit Polizeiausrüstung – tat, wenn es zum Schlimmsten kommen sollte.
    Nun leuchtete auch der horizontale Faden der Kontrollbirne auf und blieb

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