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Die Zeit: auf Gegenkurs

Die Zeit: auf Gegenkurs

Titel: Die Zeit: auf Gegenkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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wären sie alte Freunde. »Ich wollte nur sichergehen, daß der Staat Kalifornien sie nicht zu seinem Mündel macht und in eins dieser schrecklichen Heime für die Altgeborenen steckt. Wir können sie zu uns nehmen; wir haben das Geld, mein Bruder Jim und ich.« Miss Fisher warf einen Blick auf ihre Armbanduhr; er bemerkte, daß ihr Handgelenk auf zarte, verführerische Weise mit Sommersprossen gesprenkelt war; noch mehr Farbtöne. »Es wird Zeit, daß ich einen kleinen Einlauf mache«, sagte sie. »Mir ist schon ganz flau. Gibt es hier in der Nähe einen guten Einlaufpalast?«
    »Ein Stück die Straße hinunter«, erklärte er. Und erneut dachte er an Lotta, an die leere Wohnung; alles war so plötzlich geschehen, so überstürzt. Bei wem war sie jetzt? Vielleicht bei Tinbane; Joe Tinbane hatte sie gerettet und – nun, es mußte Tinbane sein; es lag nahe. In gewisser Weise hoffte er es. Tinbane war ein guter Mensch. Als er sich Lotta und Tinbane vorstellte, beide jung, beide nahezu im gleichen Alter, überkamen ihn väterliche Gefühle; in fast perverser Weise wünschte er ihr Glück, aber in erster Linie wünschte er sie zurück. In der Zwischenzeit …
    »Ich lade sie ein«, sagte Miss Fisher. »Ich habe heute mein Gehalt bekommen; besser man gibt diese Inflationsscheine sofort aus, ehe sie überhaupt nichts mehr wert sind. Und Sie sehen müde aus.« Sie musterte ihn, und ihre Musterung war von völlig anderer Art; Lotta hatte in seinem Gesicht immer nach Zeichen gesucht, ob er zufrieden oder böse mit ihr war, ob er sie liebte, ob er sie nicht liebte; Miss Fisher schien abzuschätzen, was er war, nicht was er empfand. Als ob, dachte er, sie die Macht – oder jedenfalls die Fähigkeit – hat, festzustellen, ob ich ein Mann bin oder nur vorgebe, ein Mann zu sein.
    »In Ordnung«, nickte er, über sich selbst überrascht. »Aber zuerst muß ich hinten abschließen.« Er deutete auf einen der nicht allzu modernen Sessel seines Instituts. »Warten Sie hier; ich bin gleich zurück.«
    »Und dann können wir uns über Mrs. Tilly M. Benton unterhalten«, sagte Miss Fisher mit einem zustimmenden Lächeln.
    Er kehrte in den Bürotrakt des Instituts zurück und schloß sorgfältig die Tür hinter sich, damit Miss Fisher nichts sehen konnte; seit sie den Anarchen hierhergebracht hatten, waren sie vorsichtig geworden, immer auf der Hut.
    »Wie geht es ihm?« fragte er Dr. Sign. Sie hatten ein provisorisches Bett aufgestellt. In ihm lag der Anarch, klein, vertrocknet, alles an ihm war grau oder schwarz, die Blicke ins Leere gerichtet; er wirkte entspannt, und Dr. Sign sah noch immer zufrieden aus.
    »Er erholt sich schnell«, erklärte Dr. Sign. Er führte Sebastian in eine Ecke, wo sie außer Hörweite des Anarchen waren. »Er hat um eine Zeitung gebeten, und ich habe sie ihm gegeben, die Abendausgabe, in der auch unsere Anzeige ist. Er hat die Berichte über Ray Roberts gelesen.«
    »Was meint er zu Ray Roberts?« fragte Sebastian und kaute an seiner Lippe. »Hat er Angst vor ihm? Oder hält er Roberts für einen dieser ›Freunde‹, von denen er gesprochen hat?«
    »Der Anarch hat noch nie von Ray Roberts gehört«, sagte Dr. Sign. »Nach all dem PR-Material, das Roberts veröffentlicht hat, wurde er von dem Anarchen persönlich zu seinem Nachfolger ernannt. Das scheint nicht zu stimmen. Sofern nicht …« Er senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Es könnte eine Gehirnschädigung vorliegen, wissen Sie. Ich lasse seit einiger Zeit ein EEG laufen, und es ist nichts Ungewöhnliches zu erkennen. Aber – es könnte sich um eine Amnesie handeln. Ausgelöst durch den Schock der Wiedergeburt. Jedenfalls wundert er sich über Udi; nicht darüber, daß der Kult existiert – er erinnert sich daran, daß er ihn gegründet hat – sondern was aus ihm geworden ist.«
    Sebastian trat an das Bett. »Was kann ich für Sie tun? Was möchten Sie wissen?«
    Die alten braunen Augen, die soviel Weisheit bargen, soviel Erfahrung, richteten sich auf ihn. »Wie alle anderen Religionen ist auch meine eine geheiligte Institution geworden. Billigen Sie das?«
    Verblüfft antwortete Sebastian: »Ich … ich glaube nicht, daß ich in einer Position bin, um mir darüber ein Urteil zu erlauben. Sie hat ihre Anhänger. Sie ist immer noch eine vitale Kraft.«
    »Und Mr. Roberts?« Die alten Augen sahen ihn scharf an.
    »Die Meinungen über ihn gehen auseinander«, sagte Sebastian.
    »Glaubt er, daß Udi für die Weißen und Farbigen da ist?«
    »Er

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