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Die Zeit: auf Gegenkurs

Die Zeit: auf Gegenkurs

Titel: Die Zeit: auf Gegenkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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modernen, schicken Plastikanzug. »Sie glauben also, eine Auferstandene gefunden zu haben«, wandte er sich an Tinbane; er kniete an Mrs. Tilly Bentons Grab nieder, legte ein Ohr an den Boden und rief dann: »Mrs. Benton, können Sie mich hören? Können Sie atmen?«
    Die leise, kaum verständliche zittrige Stimme drang zu ihnen herauf, als Lindy vorübergehend den Bohrer abschaltete. »Es ist so stickig, und es ist so dunkel, und ich habe solche Angst; ich möchte so schnell wie möglich befreit werden, damit ich nach Hause gehen kann. Werden Sie mir helfen?«
    Dr. Sign legte die Hände an den Mund und rief: »Wir bohren jetzt, Mrs. Benton; bleiben Sie ruhig liegen und machen Sie sich keine Sorgen; es dauert nur noch ein paar Minuten.« Er wandte sich an Lindy. »Haben Sie denn nicht mit ihr gesprochen?«
    »Ich habe meine Arbeit«, knurrte Lindy. »Das Reden überlasse ich Ihnen und Pater Faine.« Er schaltete den Bohrer wieder ein. Sebastian stellte fest, daß er fast fertig war; er entfernte sich ein kurzes Stück, lauschte, spürte den Friedhof und die Toten unter den Grabsteinen, die Vergänglichen, wie Paulus sie genannt hatte, der eines Tages, wie Mrs. Benton, das Unvergängliche annehmen würde. Und dieser Sterbliche, dachte er, muß die Unsterblichkeit annehmen. Und dann wird geschehen, dachte er, was geschrieben steht. Der Tod wird besiegt werden. Grab, wo ist dein Sieg? Oh, Tod, wo ist dein Stachel? Und so weiter. Er setzte seinen Streifzug fort, leuchtete mit seiner Taschenlampe, um nicht über Grabsteine zu stolpern; er ging sehr langsam, und während der ganzen Zeit hörte er – aber nicht direkt, nicht direkt mit den Ohren, sondern mehr in seinem Innern – die schwachen Bewegungen unter der Erde. Andere, dachte er, die eines nicht allzu fernen Tages altgeboren werden; ihr Fleisch und ihre Zellen setzen sich schon wieder zusammen, finden zurück zu ihren angestammten Plätzen. Er spürte den ewigen Prozeß, die endlose komplexe Aktivität des Friedhofs, und es erfüllte ihn mit Begeisterung und großer Erregung. Nichts war zutiefst optimistischer, nichts mächtiger in seiner postitiven Dynamik als diese Wiederherstellung von Körpern, die, wie Paulus es ausgedrückt hatte, der Vergänglichkeit anheimgefallen waren und nun, wo die Hobart-Phase ihre Wirkung entfaltete, aus der Vergangenheit zurückkehrten.
    Paulus’ einziger Fehler war, sagte er sich, daß er es noch zu seinen Lebzeiten erwartet hat.
    Jene, die jetzt altgeboren wurden, waren als letzte gestorben: die letzten Todesfälle vor Juni 1986. Aber laut Alex Hobart würde die Zeitumkehrung weiter fortschreiten, unaufhaltsam größere Zeitspannen auslöschen; frühere und immer frühere Tote würden umgekehrt werden … und in zweitausend Jahren würde Paulus nicht mehr »schlafen«, wie er es ausgedrückt hatte.
    Aber zu diesem Zeitpunkt – lange, lange vor diesem Zeitpunkt – würden Sebastian Hermes und alle anderen Menschen, die jetzt lebten, in den Mutterschoß zurückgekehrt sein, und die Mütter ebenfalls und so weiter; natürlich vorausgesetzt, daß Hobart recht hatte. Daß die Phase keine vorübergehende, nur kurz andauernde Erscheinung war, sondern einer der gewaltigsten siderischen Prozesse, die sich nur alle paar Milliarden Jahre ereignete.
    Ein letzter Schwebewagen setzte mit stotterndem Motor zur Landung an; heraus stieg der kleine, schmale Pater Faine mit einer Aktentasche, in der sich seine religiösen Bücher befanden. Er nickte Tinbane freundlich zu und sagte: »Lobenswert, daß Sie sie gehört haben; ich hoffe, Sie brauchen jetzt nicht noch länger in der Kälte herumzustehen.« Er sah Lindy bei der Arbeit, Dr. Sign mit seiner schwarzen Ärztetasche warten – und natürlich Sebastian Hermes. »Wir können jetzt übernehmen«, informierter er Tinbane. »Vielen Dank.«
    »Guten Abend, Pater«, sagte Tinbane. »Guten Abend, Mr. und Mrs. Hermes, und Ihnen auch, Doktor.« Er blickte dann den verdrossenen, wortkargen Bob Lindy an und verabschiedete sich nicht von ihm; er drehte sich um und ging zu seinem Streifenwagen. Und war bald in der Nacht verschwunden, um seinen Patrouillenflug fortzusetzen.
    Sebastian trat zu Pater Faine und sagte: »Wissen Sie was? Ich … höre noch jemanden. Jemand, der kurz vor der Wiedergeburt steht. Es ist nur noch eine Frage von Tagen, möglicherweise von Stunden.« Ich empfange eine ungeheuer starke Emanation, sagte er sich. Es muß sich um eine einzigartig vitale Persönlichkeit in unmittelbarer

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