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Die Zeit: auf Gegenkurs

Die Zeit: auf Gegenkurs

Titel: Die Zeit: auf Gegenkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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ausgeht, ob sie den Anarchen bekommen oder nicht. »Hier.« Er reichte dem Sprecher den Zettel, auf dem er Ann Fishers Adresse notiert hatte. »Was soll ich tun? Soll ich bewaffnet hingehen?«
    »Wahrscheinlich ist ihre Tür durch das übliche Suchstrahlsystem gesichert«, sagte der Sprecher und las die Adresse. »Es wird Sie nach Waffen abtasten. Nein, gehen Sie einfach hin und reden Sie mit ihr. Wir werfen eine Gasgranate durch das Fenster, irgend etwas in dieser Art … Zerbrechen Sie sich deswegen nicht den Kopf; das ist unsere Sache.« Er überlegte. »Vielleicht einen thermotropischen Pfeil. Er würde Sie beide in Mitleidenschaft ziehen, aber Sie würden sich wieder erholen; wir würden Sie beide durchbringen.«
    Lotta wandte sich an den Sprecher. »Wenn mein Mann Ihnen hilft, werden Sie uns dann nicht töten?«
    »Wenn Hermes uns hilft, den Anarchen zurückzubekommen«, erklärte der Sprecher der Jünger, »werden wir das Todesurteil, das Ray Roberts über ihn verhängt hat, aufheben.«
    »Dann ist das Urteil also schon gefällt«, stellte Sebastian
    fröstelnd fest.
    »Ja.« Der Sprecher nickte. »In einer offiziellen Ältestenversammlung der Uditen. Seine Heiligkeit hat seine spirituelle Pilgerfahrt unterbrochen, um daran teilnehmen zu können.«
    »Glaubst du wirklich«, fragte Lotta Sebastian, »daß du Miss Fisher aus der Bibliothek locken kannst?«
    »Sie wird kommen«, versicherte er. Aber ob es den Jüngern gelingt, sie in ihre Gewalt zu bringen – das ist eine andere Frage, dachte er. Er hatte großen Respekt vor Ann Fishers Umsicht; wahrscheinlich würde sie auf einen derartigen Zwischenfall vorbereitet sein. Schließlich wußte Ann, wie er zu ihr stand.
    Sie werden Sie nicht verhören können, erkannte Sebastian. Irgendwie, auf irgendeine Weise, die sich keiner von uns vorstellen kann, wird sie sie töten. Und mich vielleicht auch. Aber, dachte er, Ann Fisher könnte ebenfalls ums Leben kommen. Das beruhigte ihn; mehr verlangte er nicht. Ich könnte sie nie töten, dachte er. Das steht nicht in meiner Macht; ich bin für eine derartige Tat nicht geschaffen. Aber die Jünger; sie sind wie Joe Tinbane, Töten gehört zu ihrem Beruf.
    Er fühlte sich viel besser. Er hatte die Meuchelmörder der Uditen auf Ann Fisher angesetzt; eine große Leistung.
    Auf Ann – und damit hatte er sie von sich und Lotta abge
    lenkt!

    20. K APITEL

    Wenn Sie also ins Sein treten wollen,
so werden sie sich umso rascher dem Nichtsein nähern,
je rascher sie wachsen, um zu sein.
– Augustinus

    Zwei Stunden später saß er in seinem Schwebewagen, mit dem er auf dem Dach von Ann Fishers Apartmentgebäude gelandet war, und dachte über sein Leben nach.
    Er schloß die Augen und stellte sich den Anarchen vor; er versuchte, den vor einigen Stunden unterbrochenen Traum zurückzuholen. Du mußt, hatte der Anarch gesagt. Was mußte er? fragte er sich; er versuchte, den Traum an dieser Stelle fortzusetzen. Erneut sah er das vertrocknete, runzlige schmale Gesicht, die dunklen Augen und den weisen Mund – weise sowohl in spiritueller als auch in praktischer Hinsicht. Du mußt noch einmal sterben, dachte er; war es das? Oder leben? Er fragte sich, was zutraf. Der Traum wollte sich nicht mehr einstellen, und er resignierte; er setzte sich auf und öffnete die Wagentür.
    Der Anarch stand in einer weißen Baumwollrobe neben dem Wagen. Wartete darauf, daß er ausstieg.
    »Mein Gott«, sagte Sebastian.
    Der Anarch lächelte. »Es tut mir leid, daß mein Gespräch mit Ihnen unterbrochen wurde. Jetzt können wir fortfahren.«
    »Sie – sind aus der Bibliothek entkommen?«
    »Ich bin noch immer in ihrer Gewalt«, erwiderte der Anarch. »Was Sie sehen, ist mehr oder weniger eine Halluzination; die Kapsel mit dem Mittel gegen das LSD-Gas, die Sie in Ihrem Mund verborgen haben, hat das Gas nicht völlig neutralisiert; ich bin eine Folge dieses Gaseinsatzes.« Sein Lächeln wurde breiter. »Glauben Sie mir, Sebastian?«
    »Es ist möglich, daß ich etwas von dem Gas abbekommen habe«, sagte Sebastian. Aber der Anarch wirkte so real. Sebastian streckte die Hand nach ihm aus.
    Seine tastende Hand glitt durch den Körper des Anarchen.
    »Sehen Sie?« sagte der Anarch. »Ich kann die Bibliothek geistig verlassen; ich kann in den Träumen anderer Menschen und als drogeninduzierte Halluzination auftauchen. Aber körperlich bin ich noch immer dort, und sie können mich jeder zeit töten.«
    »Haben sie es vor?« fragte er heiser.
    »Ja.« Der

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