Die Zeit: auf Gegenkurs
automatische Gewehre gestoßen?« fragte er.
»Nein.« Sebastian schüttelte steif den Kopf.
»Die sicherheitsempfindlichen oberen Stockwerke wurden durch kein Kraftfeld geschützt, durch keine modernen Anlagen?«
»Nur Handfeuerwaffen«, sagte Sebastian.
»Wie werden die Bibliothekswächter alarmiert? Per Funk?«
»Ja.« Er nickte erneut.
»Man hat nicht versucht, Sie mit Nervengas aufzuhalten?«
»Ich war der einzige, der Gas eingesetzt hat«, erklärte Seba
stian. »Ich bekam es von Seiner Heiligkeit und der römischen Interessengruppe.«
»Ja, wir wissen, was Sie bekommen haben.« Der Sprecher der Jünger spielte mit seinem Kugelschreiber, leckte sich den Mundwinkel und konzentrierte sich. »Trugen die Wächter Gasmasken?«
»Einige.«
»Dann verfügen sie auch über irgendein Gas. Für den Fall, daß feindliche Kräfte eindringen. Und wenn unsere erste Granate das Gebäude betrifft, werden wir es vielleicht mit etwas Größerem als Handfeuerwaffen zu tun bekommen.« Er musterte Sebastian erneut. »Ich glaube es einfach nicht; ich meine, ich glaube Ihnen – aber ich weiß, daß sie besser bewaffnet sind. Man hat wirklich nicht versucht, Sie aufzuhalten ; wenn man nicht einen einzigen Mann, sondern einen ganzen Stoßtrupp geschickt hätte, wäre der Anarch jetzt vielleicht frei.« Er wandte sich an seine beiden Begleiter um Rat. »Die Bibliothek ist immer noch ein Rätsel«, erklärte er. »Zweimal binnen achtundvierzig Stunden ist ein Mann dort eingedrungen und hat Lotta Hermes herausgeholt. Trotzdem wird der Anarch wie auf dem Präsentierteller angeboten; als könnte man ihn mit einem blitzartigen Stoßtruppmanöver befreien. Nach meiner Meinung ist der Anarch schon tot, und was Hermes gesehen hat, war nichts anderes als ein SimulacrumRoboter, den man für diesen Zweck bereitgehalten hat.«
»Aber Hermes’ Traum«, wandte einer seiner Gefährten ein. »Er bedeutet, daß der Anarch noch am Leben ist. Irgendwo. Vielleicht nicht unbedingt in der Bibliothek.«
Lotta löste sich von Sebastian und setzte sich an den Küchentisch, den drei Jüngern der Macht gegenüber. »Ist es den Uditen denn noch nicht gelungen, einen …« Sie gestikulierte, fand nicht das richtige Wort. »Einen von ihren Leuten einzuschleusen – Sie wissen schon. In die Führungsspitze. Einen Spion.«
»Bewerber werden durch quasi-telepathische Sonden überprüft«, erklärte der Sprecher. »Wir haben es mehrmals versucht. Unsere Leute wurden erschossen; wir bekamen sie
als Leichen zurück.«
»Können Sie nicht behaupten, Verfasser eines Buches zu sein?« fragte Sebastian.
» Das haben Sie unmöglich gemacht«, sagte der Sprecher schneidend. »Ein Schachzug, den wir monatelang vorbereitet haben. Nur weil sich die römische Interessengruppe eingemischt hat, sind Sie in den Genuß dieser Tarnung gekommen. Wir waren dagegen … wir, die Jünger. Hermes, vielleicht hat es Ray Roberts überrascht, daß Sie versagt haben, aber uns überrascht es nicht. Wir haben großen Respekt vor den Mitteln, dem Einfallsreichtum der Bibliothek; wenn Ray Roberts es befiehlt, werden wir Sie töten, um den Anarchen zu retten … aber unserer Meinung nach hatten Sie nicht die geringste Chance.«
»Aber ich habe es nicht einmal versucht«, sagte Sebastian mit belegter Stimme.
»Das spielt keine Rolle. Nicht, wenn das, was Sie gesehen haben, ein Simroboter war. Oder sie hätten hochentwickelte Waffen eingesetzt, wenn es den Anschein gehabt hätte, daß Sie Erfolg haben. Wie schnell war man zu einem Abkommen bereit? Sie am Leben und mit Ihrer Frau gehen zu lassen, aber ohne den Anarchen?«
»Das Angebot kam von Ihnen«, sagte Sebastian.
»Es ist eine Falle«, erklärte der Sprecher der Jünger. »Um uns zu einem Kamikazeangriff zu veranlassen; alle Jünger; unser gesamtes Korps. Der Anarch befindet sich wahrscheinlich schon viele Kilometer von hier entfernt, in einer der Zweigstellen der Bibliothek an der Küste bis nach Oregon hinauf. In irgendeiner der über achtzig Zweigstellen in den W.U.S.« Er dachte nach. »Oder er ist im Haus irgendeines Löschungsrats. Oder in einem Hotel. Kennen Sie jemand von der Führungsspitze der Bibliothek, Hermes? Einen Löschungsrat? Einen Bibliothekar? Ich meine persönlich?«
»Ich kenne Ann Fisher«, antwortete er.
»Ja. Die Tochter der Chefbibliothekarin und des derzeitigen Ratsvorsitzenden.« Der Jünger nickte. »Wie gut kennen Sie sie? Antworten Sie ehrlich; es könnte lebenswichtig sein.«
»Vergessen Sie
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