Die Zeit der Androiden
rannte er zu seinem Wagen und fühlte sich erst einigermaßen sicher, als er im dichten Verkehr untergetaucht war.
Nach kaum fünf Minuten war sein Chef am Autotelefon und sagte: »Hallo, Thaler, Mr. Jarris hat eben nach dem Film gefragt, und der Vorführer sagte, Sie hätten ihn mitgenommen.«
Dan heuchelte Überraschung. »Natürlich«, sagte er. »Ich brauche ihn für die Vorbereitung meines Berichts. Wenn ich fertig bin, werde ich ihn mit abliefern – morgen.«
»In Ordnung«, war die arglose Antwort. »Ich werde das weitergeben.«
Dan unterbrach die Verbindung, und ein fröstelnder Schauer überlief seinen Rücken. Er raste zu seiner Bank, legte den Film in sein persönliches Schließfach und setzte sich wieder in den Wagen. Nun rief er Wachtmeister Sutter an.
»Ich bin unterwegs zum Zentralkrankenhaus«, sagte er. »Können Sie hinfahren und mich beschatten, ohne selbst hineinzugehen?«
»Sie wollen mit Schneiter reden?«
»Ja.«
»Glauben Sie, diese Leute wissen von mir?« fragte Sutter.
»Nur mein unmittelbarer Chef weiß von unserer Zusammenarbeit«, sagte Dan. »Solche Einzelheiten haben niemanden sonst interessiert – bis heute.«
Es war kurze Zeit später. Als Dr. Schneiter aus seinem Büro kam, fiel Dan neben ihm in Gleichschritt, stieß eine Pistole in die Gegend seiner rechten Niere und sagte: »Ich bin Anita Copelands Bruder. Sie werden mir jetzt Rede und Antwort stehen, und wenn es Ihre letzte Tat in diesem Leben ist.«
Und so waren sie gleich darauf in Dr. Schneiters Büro, wo Dan die Rolle des zornigen Bruders spielte, der in Sorge um seine geisteskranke Schwester ist.
»Hätten Sie sie nicht zurückhalten können?« fragte er erregt.
»Gibt es nicht ein Gesetz, daß verhinderte Selbstmörder bei Wiederholungsgefahr in Sicherheitsverwahrung gehalten werden können?«
Der Psychiater schüttelte seinen Kopf. Seine anfängliche Spannung war geschwunden, und er lächelte freundlich. »Es erscheint verständlich und nicht allzu unvernünftig, daß sie in den ersten Minuten nach der Entdeckung ihrer tatsächlichen Ehesituation unter der Einwirkung des Schocks versuchte, sich das Leben zu nehmen.« Er beobachtete Dan. »Meinen Sie nicht? Aber es gab keinen weiteren Selbstmordversuch – richtig?«
Und das war im wesentlichen alles, was Dan an freiwilligen Antworten aus Dr. Schneiter herausholen konnte.
Objektiv, kühl, amüsiert – das war der äußere Anschein des Mannes, der zweifellos eine führende Rolle in der geheimen Rebellion der Androiden spielte.
Dan war neugierig gewesen. Er hatte sich ein Bild von dem Psychiater machen wollen, bevor er die Krise herbeiführte.
Das hatte er nun getan.
Und so hob er seine Pistole.
»Doktor«, sagte er, »ich habe von Ihrem heuchlerischen Geschwätz genug gehört. Nun gebe ich Ihnen fünfzehn Sekunden für Ihre erste wahrheitsgemäße Erklärung.«
Es gab eine lange Pause. Das Gesicht vor ihm wurde blaß, aber die Augen blieben lebhaft und wachsam. Schließlich breitete Dr. Schneiter in sparsamer Gebärde seine Hände aus.
»Was wollen Sie wissen?«
»Warum ließen Sie meine Schwester hierher bringen? Reden Sie.«
Diesmal war die Pause kürzer. »Trotz all ihrer Konditionierung war sie im Begriff, unserer Kontrolle zu entgleiten. Ich wollte feststellen, warum.«
»Was für eine Konditionierung hatte sie?«
»Die drei Phasen. Vollkommene Androiden-Simulation.«
»In welcher Weise entglitt sie Ihrer Kontrolle?«
»Wir wollten sie bloß gebrauchen – wie wir es auch mit anderen Frauen getan haben –, um ihren Mann zum Erwerb eines kostspieligen Androiden zu zwingen. Der Verkauf von Androiden ist unsere Finanzierungsquelle. Aber irgendwie geriet Anita außer Kontrolle und wurde eine Bedrohung.«
»Eine Bedrohung? Wie?«
»Wir konnten uns nicht mehr auf sie verlassen.«
»Wußte sie, daß sie programmiert worden war und nur auf das Programm ansprechen sollte?«
»Normalerweise wissen die Leute es nur, solange der Programmierungsprozeß läuft, aber die Erinnerung verblaßt sehr schnell. In Anitas Fall begannen wir zu glauben, daß sie es wußte. Wie auch immer, sie leistete den programmierten Normen Widerstand, und wir konnten mit ihr kein Risiko eingehen.«
»Konnten Sie die Gründe für ihren Widerstand ermitteln?«
»Nein, sie entkam aus dem Krankenhaus, bevor ich das Problem bestimmten konnte. Mir scheint, daß ein bestimmter Persönlichkeitstyp nicht für die Androiden-Simulation geeignet ist. Dieser Typ muß auf der
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