Die Zeit der Androiden
Dan zog ein Kurzschluß erzeugendes Gerät aus der Tasche und steckte es ins elektronische Türschloß. Das empfindliche Rückkoppelungssystem des Geräts nahm das genaue Muster des elektronischen Stromes auf, stellte das Gerät darauf ein, und dieses schloß die Tür geräuschlos auf.
Wachtmeister Sutter zog die Brauen hoch, als er die Tür wie durch Magie aufschwingen sah. Aber er blieb still, als er Dan auf Zehenspitzen in die Wohnung folgte. Dan gab ihm ein Zeichen. Sutter schloß die Tür leise.
Sie standen in einer geräumigen Diele, von der drei Türen ausgingen. Eine stand ein paar Handbreit offen, und von dort kam gedämpfter Stimmenklang. Sie schlichen näher.
Als Dan durch die Öffnung spähte, sah er die Rücken zweier Männer. Beide ähnelten Peter Copeland. Peter II. und Peter III. folgerte er.
Und als er sie beobachtete, sagte einer der beiden in Peters Stimme: »Es muß eine Möglichkeit geben, wie Sie uns helfen können, Ihre Frau aus dem Gefängnis zu holen, so daß wir sie töten können.«
»Geht zum Teufel«, sagte Peters Stimme irgendwo im Raum.
»Es heißt Sie oder Ihre Frau«, sagte der Androide.
Und Peter sagte: »Das ist jetzt das neunzigste Mal. Ich habe euch gesagt, daß ich es nicht tun werde.«
»Es heißt Sie oder Ihre Frau«, wiederholte der Androide.
Dan begann zu begreifen, was hier geschehen war.
Jemand mußte den zweien die Überzeugung einprogrammiert haben, daß für Menschen das persönliche Überleben die stärkste von allen Motivationen sei. Wer immer das programmiert hatte, hatte vergessen hinzuzufügen: »Außer wenn eine Mutter ihr Kind verteidigt, oder wenn es irgendwie um die Männlichkeit oder die Ehre eines Mannes geht.«
Die Folge war, daß sie in einem kreisförmigen Gedankenprozeß steckengeblieben waren: Die Drohung, die unerwartete Antwort, für die sie nicht programmiert waren, dann zurück zur Drohung – endlose Wiederholung. Dan folgerte, daß dies schon längere Zeit andauerte – was hatte Peter gesagt? Das neunzigste Mal.
Jedenfalls seit dem frühen Morgen.
Und Peter Copeland mußte in dieser wiederholenden Weise antworten, weil er die Situation verstand.
Dan fühlte sich erleichtert. Die Gefährlichkeit der Situation war real, aber seit dieser Teufelskreis von Verrücktheit in Gang gekommen war, hatte die unmittelbare Bedrohung aufgehört. Sutter und er brauchten bloß eine günstige Gelegenheit abzuwarten, um die beiden Androiden außer Betrieb zu setzen.
Dan verspürte ein unbestimmtes Mitleid, eine Traurigkeit, ein seltsames Bedauern für die Androiden und ihren Wunsch nach Freiheit. Er dachte: In einer Weise bin ich nicht wirklich dagegen, daß Androiden die Freiheit gewinnen.
Aber das Problem war ungemein schwierig. Denn im Grunde mußten Androiden für alles programmiert sein, was sie dachten oder taten.
Diese zwei merkten nicht, daß die echte Anita mit ihnen im Raum war.
Während er diese Gedanken hatte, schob er seinen Kopf näher an den Türspalt, um den Raum besser zu überblicken und vielleicht die Position Peters oder Anitas auszumachen. Die Tür gab lautlos nach, und er konnte seinen Kopf durchstecken.
Er sah Anita. Sie blickte auf. Ihre Blicke begegneten einander.
Anitas Augen weiteten sich. Sie stand auf.
»Zeit zum Mittagessen«, verkündete sie. Sie ging schnell aus Dans Gesichtswinkel.
Dan fluchte in sich hinein. Denn Peter II. und Peter III. wandten die Köpfe und sahen einander an.
»Mittagessen«, sagten sie gleichzeitig. »Aber er ißt mittags nie zu Hause.«
Dan bedachte seine verrückte Schwester mit stummen Schmähungen und zog sich aus dem Türspalt zurück. Sutter zupfte an seinem Arm und machte ein Geräusch wie ein unterdrücktes Keuchen. Dan wandte sich um und sah, daß Sutter zur Küchentür starrte. Im nächsten Moment schien das Blut in seinen Adern zu gefrieren.
Anita stand dort. In ihrer Hand war eine automatische Pistole.
»Vorwärts, ihr zwei«, sagte sie. »Dort hinein.«
Dabei gestikulierte sie mit der Pistole zum Wohnzimmer.
Dan unterdrückte einen Impuls, seine Schwester anzuschreien, als er gehorchte. Offenbar ahnte sie nicht, daß die zwei Peter-Androiden sie nach der Art programmierter Maschinen sofort töten würden, wenn sie entdeckten, daß sie die echte Anita war.
Er betrat den Wohnraum. Sutters schleppender Schritt folgte ihm, und dahinter kam der helle Klang von Anitas Stöckelabsätzen.
Er war zu benommen von der plötzlichen Wendung, um klar zu denken. In einem einzigen Akt
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